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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Tisch herum, ihr war es gleich, daß sie in einem Lokal standen. Sie faßte seine Hand, sie flehte: »Fritz, sei doch gut … Papa tut alles, was ich will, ich rede ihn herum … Ich kann doch nicht ohne dich sein … Und wenn du nur einmal die Woche, nur einmal im Monat zu mir kommst, wir können doch heiraten …«
    Er machte eine Bewegung, ihr die Hand fortzuziehen …
    Sie sieht ihn mit ihren angsterweiterten, tränenden Augen an. Sie versucht, sich zusammenzunehmen, sie sagt mit einem Versuch zu lächeln: »Papa rede ich sicher ein, daß alles ein Irrtum war, er hat doch gar nichts gewußt! Er muß sich bei dir entschuldigen, Fritz, wegen des Weins … Das war so häßlich von ihm! Ich schwöre dir, er wird sich entschuldigen …«
    »Wieso hat dein Vater nichts gewußt?« fragt er. »Er hat doch von dem Brief gesprochen?«
    Es ist das erste Wort, das er zu ihr sagt, eine kalte, argwöhnische Frage, einzige Antwort auf ihr flehendes Gestammel …
    Aber sie ist schon glücklich, daß er nur wieder mit ihr spricht, sie drückt seine Hand fester, diese knochige, grausame Hand, sie sagt eilig: »Papa hat doch von einem ganz andern Brief gesprochen! Ich habe dir doch noch einmal geschrieben, wegen des Waffenlagers, weil der Förster zugesehen hat, wie du es eingegraben hast! Und der Brief ist doch unterschlagen worden. Sieh mich nicht so schrecklich an, Fritz! Fritz! Fritz! Das Waffenlager ist noch da … Ich habe nichts falsch gemacht, Fritz, bitte …«
    Sie hat lauter und lauter gesprochen, nun hat sich seine Hand über ihren Mund gelegt. Die Zivilisten sind hinter ihren Zeitungen emporgetaucht und betrachten entrüstet, verlegen, amüsiert diese Szene. Der Rittmeister hat sich am Tisch bewegt wie im Schlaf, er hat geflüstert: »Lassen Sie meine Tochter …«
    Er meint, er habe es geschrien. Der Kellner hat einen Schritt vom Büfett fort auf das Paar zu gemacht und steht nun wieder da, unentschlossen, ob er eingreifen soll oder nicht …
    Aber der Leutnant hat alles verstanden: das Fehlen der Offiziere heute im Lokal, die abgerissene Verbindung mit der Reichswehr … Er begreift, daß der ganze Putsch gefährdet ist, diese durch Monate vorbereitete Aktion – und er trägt die Schuld! Nein, sie trägt sie!
    Seine Hand auf ihrem Mund, flüstert er in ihr Ohr – und sein Haß entzündet sich immer stärker an diesem weichen, hingebenden, willenlosen Gesicht. Er flüstert: »Du, du hast mir nur Unglück gebracht! Du bist mir zum Ekel – ich möchte dich nicht, und wenn du in Gold eingewickelt wärst! Ich ekle mich vor dir; ich schüttle mich, wenn ich an dein Seufzen denke; ich möchte mich selber zerreißen, wenn ich daran denke, daß ich dich mal angefaßt habe! Hörst du, verstehst du mich auch«, flüstert er lauter, denn sie hat die Augen geschlossen und liegt wie leblos in seinem Arm. »Alles hast du mir kaputt gemacht mit deiner verfluchten schmierigen Liebe! Höre, du!« Wieder lauter, er schüttelt sie. »Hör gut zu, wenn das Waffenlager noch da ist, dann will ich sehen, daß ich morgen falle –. Aber wenn das Waffenlager weg ist, schieße ich mich noch heute nachmittag tot – deinetwegen, hörst du, deiner großartigen Liebe wegen!« Er sieht sie an, einen Augenblick wird er irre. Aber er muß ihr doch noch eines sagen, ganz gleich, ob der Kellner ihn jetzt beschwörend an der Schulter rüttelt. Er flüstert ihr ins Ohr: »Besuch mich heute abend, verstehst du – Liebste?! Dort!! Ich werde nett aussehen – deine Lebtage sollst du an mich denken, wie ich daliege – mit zerschossenem Kopf!«
    Ihr Schrei läßt alle auffahren, hinzulaufen. Der Leutnant sieht sich um, wie erwachend.
    »Da, nehmen Sie sie – ich brauch sie nicht mehr!« schreit er den Kellner an und läßt das Mädchen so plötzlich los, daß es doch auf die Erde sinkt.
    »Hören Sie mal, heben Sie sie wenigstens auf!« schreit der Kellner wütend.
    Aber der Leutnant läuft schon aus dem Lokal.

5
    Der Leutnant war in seinen kleinen Gasthof geraten, er wußte nicht wie. Er stand in der Kammer, er sah die getünchten Wände an, er horchte hinunter nach dem Geschwätz in der Gaststube, es wurde nicht still.
    »Still doch!« rief der Leutnant mit wütend verzogenem Gesicht, aber die plärrten weiter. Eine Weile lauschte er noch, eine Weile war es ihm, als höre er ihre demütige, flehende Stimme heraus: Winseln einer Sklavin – o verdammt!
    Ein wenig später besann er sich. Er trank ein Glas von dem abgestandenen Wasser, sah sich um und

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