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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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den Bäumen. Ein wenig fror er. Wäre er nur etwas frischer, aktiver, unternehmungslustiger gewesen, er ging jetzt auf den Hof, pfiff die Verantwortlichenan und jagte sie auf den Mietenplatz hinaus, ihr Gerät allein heimzuholen. Aber er hatte heute nicht mehr die geringste Kraft, jemanden anzupfeifen, bei dem Gedanken, mürrische und gehässige Widerworte anhören zu müssen, hätte er weinen können: Er fühlte sich ausgepumpt, leer. Er saß ganz still da, eine Weile war nichts wie eine graue, weite Öde in ihm, er hatte nicht einmal mehr die Kraft, sich eine Zigarette anzuzünden.
    So saß er lange still. Dann fingen die Gedanken an, wieder in seinem Hirn zu kriechen, aber es waren keine guten Gedanken, es waren Sorgen. Er dachte an den Brief des Geheimrats, den er eben gelesen hatte – das ist der Anfang vom Ende, dachte er. Nein, es ist das Ende, ganz und gar.
    Der Geheimrat, der vor den Nöten der Tochter geflohen war, hatte sich jetzt auf sich selbst besonnen. Er selbst, das war sein Geld; er hatte sich an die noch nicht bezahlte Pacht erinnert, er wollte sein Geld. Aber da er sicher war, sein Geld nicht zu bekommen, wollte er den Pächter loswerden. Nicht nur verbot er allen, die zu seinem Schwiegersohn gehörten, die für seine Tochter arbeiteten, das Betreten der Forst, nicht nur verbot er den Fuhrwerken der Gutsverwaltung die Benutzung der Wege durch die Forst, wodurch stundenlange Umwege zu den Außenschlägen notwendig wurden, nein, er gab dem Förster auch den Auftrag, ein wachsames Auge auf die Verkäufe der Gutsverwaltung zu haben. Wurde Korn, wurden Kartoffeln, wurde Vieh abgeliefert – der Förster sollte es sofort telefonisch dem Anwalt des alten Herrn melden, der dann die eingehenden Gelder sofort beschlagnahmen würde.
    Jetzt zeigte es sich: Vom kaufmännischen Standpunkt aus hatte Herr von Studmann recht gehabt, als er darauf bestanden hatte, dem alten Elias am zweiten Oktober den Pachtbetrag nach Berlin mitzugeben – der alte Herr hätte dann Ruhe halten
müssen
!
    »In meiner jetzigen Lage sollte mir mein Vater Schwierigkeiten machen?!« hatte Frau Eva gerufen. »Nein, Herr vonStudmann. Die Pacht hat Zeit – aber einen Wagen brauche ich sofort, brauche ich immerzu. Nein, ich bezahle das Auto.«
    Zwischen dem fernen Vater und dem nahen Chauffeur Finger, der die Rechnung über den Wagen vorgelegt hatte, mit der Drohung, sofort nach Frankfurt zurückzukehren, würde sie nicht beglichen, hatte sich Frau Eva von Prackwitz für den Wagen entschieden.
    »Wir könnten es vielleicht mit einem Mietswagen versuchen?« hatte Herr von Studmann vorgeschlagen.
    »Der immer dann nicht frei ist, wenn ich ihn brauche«, hatte die gnädige Frau gereizt geantwortet. »Nein, Herr von Studmann, Sie sind ein sehr besorgter, sehr gründlicher Kaufmann – aber Sie vergessen immer wieder, daß ich meine Tochter suchen muß …«
    Herr von Studmann war blaß geworden, er hatte sich auf die Lippe gebissen – er hatte auch kein Wort mehr davon gesagt, was er von diesen Suchfahrten durch das Land dachte. Er hatte sich gefügt.
    »Wie gnädige Frau wünschen«, hatte er gesagt. »Ich leiste also die vereinbarte Anzahlung. Der Rest des Geldes reicht noch für reichlich Dreiviertel der Pacht …«
    »Sie sollen mir nicht mehr von dieser Pacht reden! Ich habe Ihnen doch gesagt, daß mein Vater … in meiner jetzigen Lage … Verstehen Sie denn nicht?« hatte Frau von Prackwitz fast geschrien. Oh, sie war so unbeherrscht in diesen Tagen, so wahnsinnig gereizt! Pagel war auch schon ein paarmal angeschrien worden, weil er nicht sofort alles stehen- und liegengelassen hatte, wenn sie ihn rief. Aber so feindselig wie zu Herrn von Studmann war sie zu ihm nicht gewesen. Es schien unerklärlich – hatte sie nicht einmal fast eine Schwäche für Herrn von Studmann gehabt –? Aber vielleicht war sie gerade wegen dieser Schwäche so feindselig zu ihm? Jetzt war sie nur noch Mutter – und eine Mutter, die wegen ihrer eigenen Liebesgeschichten die Tochter vernachlässigt, ist doch verächtlich, wie?
    Ruhiger sagte sie dann: »Ich möchte, daß Sie den Wagen sofort ganz bezahlen, Herr von Studmann. Ich will frei über ihn verfügen können. Regeln Sie das mit Herrn Finger und seiner Firma. Und entlassen Sie ihn. Ich kann ihn nicht als Chauffeur brauchen, ich weiß jemand anders, der besser auf meine Wünsche eingeht …«
    Herr von Studmann verbeugte sich nur, weiß bis unters Haar.
    »Entschuldigen Sie, daß ich etwas heftig

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