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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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wurde, Herr von Studmann«, sagte sie und hielt ihm die Hand hin. »Es geht mir nicht sehr gut – aber das müßte ich ja eigentlich gar nicht sagen müssen.«
    Herr von Studmann verstand die Überwindung nicht, die sie schon dieses kleine Nachgeben kostete. Er nahm mechanisch die Hand, er sagte stockend: »Wenn ich mir noch eine Frage erlauben dürfte?«
    »Bitte, Herr von Studmann.«
    »Ich müßte ungefähr wissen, was mit Herrn Finger vereinbart ist, wenn ich mit ihm abrechnen soll.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie tonlos und zog ihre Hand aus der seinen. »Regeln Sie das ganz, wie Sie es für richtig halten, ich werde Ihnen keine Schwierigkeiten machen. – Ach, Herr von Studmann«, rief sie plötzlich fast weinend, »müssen auch Sie mich quälen?! Haben Sie denn gar kein Gefühl?!«
    Sie lief fast aus dem Büro. Herr von Studmann machte eine heftige Bewegung zu dem jungen Pagel, aber er schwieg dann doch. Einen Augenblick ging er hin und her auf dem Büro, dann setzte er sich an den Schreibtisch, nestelte die Uhr von der Kette und legte sie vor sich hin. Pagel fing wieder an zu tippen, er hatte während dieses Streites nicht aus dem Büro gekonnt, die gnädige Frau hatte immer unter der Tür gestanden, als wollte sie so rasch wie nur möglich gehen.
    Studmann saß still am Schreibtisch, er blickte unverwandt auf die Uhr. Nach sehr kurzer Zeit, er mußte sie sich ausgerechnet haben, stellte er das Telefon nach der Villa durch, ernahm den Hörer vom Apparat, drehte die Kurbel – dann machte er eine heftige Bewegung zu Pagel: Pagel hörte mit Tippen auf.
    Herr von Studmann sah erschreckend elend und verfallen aus. Wer ihn so sitzen sah, den Hörer in der Hand, auf die Antwort aus der Villa wartend, hätte nicht gesagt, daß dieser Mann ohne Gefühl war. Er war vielleicht verzwickt und vertrackt, er hatte seinem eigenen Gefühl in einem frauenlosen Leben so viel Hindernisse in den Weg gebaut, daß er sich allein nicht mehr befreien konnte. Aber Pagel sah doch, wie dieser Mann zitterte, vor Aufregung fast nicht sprechen konnte, als er am Apparat Frau Eva um eine dringende, um eine sofortige, um eine ganz private Unterredung bat.
    Pagel stand mit einem Ruck auf und ging in sein Zimmer. Dieser unselige Studmann – er hatte natürlich vorhin Hemmungen gehabt, zu sagen, was er auf dem Herzen hatte. Nun die Schlacht geschlagen und fast verloren war, nun wußte er, was er hätte tun müssen: als Mensch mit ihr reden, nicht als Kaufmann.
    Überraschend schnell klopfte Herr von Studmann. Er bat Pagel, sofort zur Villa zu gehen und mit dem Chauffeur Finger abzurechnen. – »Frau von Prackwitz möchte sofort fahren. Wahrscheinlich müssen Sie mit. Zu der Firma in Frankfurt. Nein, bitte, Pagel, ich möchte es nicht selbst … Frau von Prackwitz will mich um sechs Uhr sprechen.«
    Pagel hatte wirklich nach Frankfurt mitfahren müssen, den Handkoffer mit dem Gelde bei sich; der Chauffeur Finger war nicht bevollmächtigt gewesen, die ganze Kaufsumme in Empfang zu nehmen.
    Pagel hatte seinen Platz neben dem Chauffeur gehabt, im Fond des Wagens saß allein die gnädige Frau. Aber sie hatte sich nicht behaglich in den geräumigen Ledersitz zurückgelehnt, aufrecht saß sie da, auf einer Kante des Sitzes, das weiße Gesicht unverwandt gegen die Scheiben gepreßt. Von Zeit zu Zeit hatte sie gerufen: »Halt!«
    Dann war sie ausgestiegen, irgendwo, an einer beliebigenStelle der Landstraße, sie hatte ein paar Schritte in einen Querweg hinein gemacht, sie hatte den Boden aufmerksam angesehen, dann war sie wieder zurückgekehrt.
    »Langsam weiter!«
    Wieder war sie dann ausgestiegen. Sie hatte ein Stück Papier im Chausseegraben gesehen, sie lief danach, entfaltete es, sah es nachdenklich an. Schon an der hoffnungslosen Art, wie sie es auseinanderfaltete, sah man, daß sie nicht wirklich eine Botschaft ihrer Tochter darauf zu finden erwartete. Dann stieg sie wieder ein.
    »Langsam weiter!«
    Immer wieder kam ihr Ruf: »Langsamer! Langsamer! Ich will jedes Gesicht erkennen können.«
    Der Motor brummte ungeduldig, im Zwanzigkilometertempo kroch der starke Wagen über die Straßen.
    »Langsamer doch!«
    Fünfzehn Kilometer …
    »So macht sie es jetzt immer«, flüsterte der Chauffeur. »Es ist ihr egal, wohin ich fahre, nur aussteigen, rumlaufen, nachsehen muß sie können. Als wenn der Kerl noch hier in der Gegend wäre!«
    »Passen Sie doch auf – Sie sollen hier halten!«
    Sie steigt aus, sie geht in ein Chausseewärterhaus.

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