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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Die Stadt summte vor Hitze. Eine Weile starrte sie angestrengt zu dem Hund hinüber, als könne von ihm irgendein Anstoß ausgehen. Der Hund starrte zurück – dann ließ er sich hinfallen, streckte, vor Hitze ächzend, alle viere von sich und schlief ein. Petra Ledig stand, stand; nein, sie zog nicht den Nacken ein, auch ein Schlag wäre jetzt Erlösung gewesen – aber nichts geschah. Die Stadt summte vor Hitze. –
    Und wie sie wartend auf irgend etwas an der überhitzten Georgenkirchstraße stand, saß ihr Liebster, Wolfgang Pagel,wartend in einem fremden Haus, in einer fremden Küche – wartend auf was? Seine Führerin, die so frisch gewaschene Liesbeth, war im Innern des Hauses verschwunden. An dem schneeweißen Herd mit den verchromten Beschlägen hantierte ein anderes junges Mädchen, dem Liesbeth mit einigen Flüsterworten Bescheid gesagt hatte. Ein Topf klapperte auf der Platte, emsig kochend. Wolfgang saß, wartend, kaum noch wartend, den Ellbogen auf ein Knie gestützt, das Kinn in der Hand.
    Solche Küche hatte er noch nicht gesehen. Groß wie ein Tanzsaal, weiß, silbern, kupferrot, das matte, körnige Schwarz der Elektrotöpfe – und mitten durch sie lief ein Geländer, hüfthoch, aus weißem Holz, eine Art Podium begrenzend, und trennte den Arbeits- von dem Aufenthaltsraum. Zwei Stufen gab es; unten waren Herd, Küchentisch, Töpfe, Schränke. Oben aber, wo Pagel saß, stand ein langer Eßtisch, schneeweiß, bequeme weiße Stühle. Ja, sogar ein Kamin war hier, aus schönen rotgebrannten Steinen mit sauberen weißen Fugen.
    Oben saß Wolfgang, unten wirtschaftete am Herd das fremde Mädchen.
    Er sah gleichmütig, stumpf durch die hohen, hellen Scheiben, vor denen Weinlaub hing, in den sonnenglänzenden Garten – freilich waren Gitter vor den Scheiben. Und, mußte er zerfahren denken, wie man das Verbrechen hinter Gittern verwahrt, so flüchtet sich auch der Reichtum hinter Gitter, fühlt sich dort erst sicher – hinter den Gittern der Banken, den Stahlwänden der Safes, den schmiedeeisernen Zieraten, die doch auch Gitter sind, den stählernen Rolljalousien und Alarmvorrichtungen seiner Villen. Seltsame Ähnlichkeit – nicht so seltsam eigentlich, aber ich bin so müde …
    Er gähnte. Grade sah das Mädchen vom Herd zu ihm hin. Es nickte, leise lächelnd, nicht ohne betonten Ernst. Also noch ein Mädchen mehr, auch nicht unsympathisch – ach, Mädchen genug, und überall Nicken, Mitgefühl! – Aber was in aller Welt soll ich tun?! Ich kann doch nicht hier so sitzen …Worauf warte ich eigentlich? Doch nicht auf diese Liesbeth, was soll die mir sagen?! Bete und arbeite, Morgenstunde hat Gold im Munde, Arbeit und Fleiß, das sind die Flügel, Arbeit ist des Bürgers Zierde, Arbeit macht das Leben süß. Aber Arbeit schändet auch nicht, und jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, darum soll er auch ein Arbeiter im Weinberg sein, arbeiten und nicht verzweifeln …
    Ach, dachte Wolfgang wieder und lächelte sehr schwach, fast als sei er ein wenig angeekelt, was haben sich die Menschen doch alles für Sprüche zurechtgemacht, bloß um sich einzureden, daß sie arbeiten müssen und daß Arbeit etwas Gutes ist. Am liebsten säßen sie doch alle hier wie ich, nichts tuend, und warteten auf irgend etwas, ich weiß ja selbst nicht, was. Nur abends am Spieltisch weiß ich es, wenn die Kugel schnurrt und klappert und gleich ins Loch fallen wird – da weiß ich, auf was ich warte. Aber wenn sie dann in das Loch gefallen ist, ob nun in das erwünschte oder ein anderes, gleichviel – dann weiß ich es schon wieder nicht mehr.
    Er starrt vor sich hin, er hat keinen schlechten Kopf, nein, es regen sich Gedanken darin. Aber er ist verlottert und faul, er mag nichts zu Ende denken. Warum auch –? So bin ich und so bleibe ich. Wolfgang Pagel for ever! Er hat ganz sinnlos ihr letztes Hab und Gut verkauft, bloß um Zecke zu besuchen, Geld zu borgen. Aber bei Zecke angelangt, hat er ebenso sinnlos, nur um eines boshaften Wortes willen, alle Aussichten auf Geld zerstört. Und – wiederum sinnlos – ist er mit dem ersten Menschen, der ihm dann über den Weg lief, mitgegangen und sitzt nun da – im trüben, seichten, toten Wasser, das willenlose Blatt, Inbegriff aller willenlosen Blätter. Schlapp, nicht ohne Gaben, nicht einmal ohne Güte, auch nicht lieblos – aber wirklich so, wie es die alte Minna gesagt hat: jetzt müßte nun wieder ein Kindermädchen kommen, ihn bei der Hand nehmen und ihm sagen, was er zu

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