Wolf unter Wölfen
brannte und beizte ihn schon jetzt das Gehörte, daß es kaum zu ertragen war. Es war wie eine wunde Stelle am Finger, gegen die man immer wieder stößt; es war wie ein juckendes Ekzem, das man kratzen muß – koste es auch Blut.
Förster Kniebusch wußte wohl – aus mancher bitteren Erfahrung –, wie gefährlich diese immer stärker werdende Geschwätzigkeit und Klatschsucht für ihn war. Die schlimmsten Geschichten hatte er schon damit angerichtet, die unangenehmsten Auftritte gehabt. Wie er da, ziemlich geschützt, am Brettergiebel der Haaseschen Scheune lehnt und immer weiter an sich herumwischt und trocknet, versucht er eifrig, seiner Altersgeschwätzigkeit den Zündstoff fortzunehmen: Er hat ja gar nichts zu erzählen! Es ist ja alles nur betrunkenes Gerede von diesem weibstollen Kerl, dem kleinen Meier, gewesen!
Aber wenn er dann soweit ist, wenn er sich schon anschickt, ganz beruhigt und ohne alle gefährliche Ladung in sich, hinein in die Stube des Schulzen zu gehen, dann fällt ein Blitz aus dem Himmel: in der Gaststube steht der Inspektor Meier, reißt den Brief aus der Tasche, fetzt ihn auf, liest ihn …
Förster Kniebusch pfeift ganz hoch und langgezogen, obwohl es ihm eigentlich den Atem verschlägt. Der vor nasser Kälte zitternde Hund an seinem Bein fährt zusammen undsteht da, Vorderfuß hoch, als wittere er Wild. Förster Kniebusch aber ist schon weiter als sein Hund: er hat den Schwarzkittel, das Borstenschwein, den verdammten Eber in seiner Suhle ausgemacht und ihm die Kugel aufs Blatt gesetzt: Negermeier hat doch gelogen!!!
Es ist ja auch gar nicht anders möglich, stöhnt der Förster Kniebusch erleichtert. Dieser Neger mit den Wulstlippen und unser gnädiges Fräulein! Das konnte ich nicht fressen. Und es war auch nicht mein Fraß! So ein dummer Prahlhans und Lügner, denkt, ich komme ihm nicht darauf. Reißt den Brief vor meinen Augen auf und weiß doch schon, was drinsteht! Sagt, er ist grade mit Fräulein Violet zusammen gewesen, und hat einen Brief von ihr in der Tasche! Natürlich hat sie ihm den Brief nur zu besorgen gegeben, und der Kerl hat ihn heimlich durchgeschnüffelt. Oh, die Sache muß ich mir heute noch in aller Ruhe und Andacht durchdenken. Es sollte mich doch wundern, wenn ich nicht alles klar herausbrächte, und am meisten sollte mich wundern, wenn ich dir nicht einen Strick draus drehen könnte, Meierchen! Du sollst mich nicht mehr lange Angsthase und Glotzauge nennen dürfen – wir werden schon sehen, wer es mit der Angst bekommt und glotzt!
Kniebusch dreht sich um und nimmt Front nach dem Gasthof. Aber der ist noch nicht wieder zu sehen, die Regenschleier sind zu dicht.
Ist auch besser so, denkt Kniebusch. Nur jetzt nichts Voreiliges tun! Das muß alles genau überlegt werden; denn es ist klar, daß ich die Sache so drehen muß, daß ich beim gnädigen Fräulein einen Stein im Brette bekomme. Die kann mir eines Tages noch sehr nützlich sein.
Damit pfeift Kniebusch durchdringend das Signal: »Zur Attacke, marsch, marsch!« und marschiert ab, gradenwegs in die Schulzenstube. Nicht einmal den Hund läßt er wie sonst auf dem Backsteinboden der Küche, sondern erlaubt ihm, mit den nassen Pfoten Schmutzkreise auf die gewachsten Dielenbretter zu treten. So siegesgewiß ist er.
In der Stube gibt es ihm aber doch einen Ruck, denn da sitzt nicht nur der lange Schulze Haase, sondern mitten auf dem eingesessenen Kanapee hockt der Herr Leutnant! Seine alte Feldmütze liegt auf dem gehäkelten Schoner der Kanapeelehne, und da sitzt er, ruppig, struppig, doch immer auf dem Draht. Zu einer großen Tasse Kaffee ißt er Spiegeleier mit Speck, und in das Fett schneidet er sich Brotwürfel, völlig ländlich-schändlich. Und nur die Stunde, nachmittags sechs Uhr, ist eigentlich nicht ganz die richtige für Spiegeleier.
»Befehl ausgeführt!« meldet der Förster und reißt seine Knochen zusammen, wie er das eben vor allen tut, von denen er glaubt, es stecke irgendeine Befehlsgewalt in ihnen.
»Rühren!« befiehlt der Leutnant. Aber dann ganz freundlich, einen fetten Fetzen Ei auf der Blechgabel: »Na, Förster Kniebusch, immer noch munter auf den ollen Beinen? Alles bestellt und ausgerichtet? Alle angetroffen?«
»Das ist es ja grade!« sagt der Förster, plötzlich wieder ganz kummervoll, und erzählt, was er da vorhin auf seinem Bestellgang im Dorf erlebt hat und was Frau Pieplow und was Frau Päplow gesagt haben.
»Alter Schafskopp!« sagt der Leutnant und ißt geruhig
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