Wolf unter Wölfen
ist Meier verdüstert. »Das Gewitter ist passiert«, murrt er. »Dieses elende Berliner Scheißgewitter! Nie kriegen wir bei Westwind Gewitter. Aber heute kriegen wir es!«
»Ja, in zehn Minuten pladdert’s«, sagt auch Kniebusch und sieht zum dunklen Fenster. »Hast nicht einfahren lassen –? Das ganze Dorf fährt ein!«
»Merke ich auch, du Riesenroß!« schreit Meier gereizt. Und es ist wirklich schwer, das nicht zu merken: grade jagt wieder ein Fuder über den Dorfplatz und verschwindet auf der Haaseschen Hofstatt.
»Das ist doch aber noch nicht sicher, daß dich der Rittmeister darum rausschmeißt«, tröstet Kniebusch. »Freilich, ich an deiner Stelle hätte auch lieber einfahren lassen.«
»Du an meiner Stelle hättest deinen Dreck vor lauter Schlauheit gefressen!« schreit Negermeier wütend los. Ertrinkt hastig, trinkt noch einmal und sagt dann ruhiger: »Hinterher sind alle Dummen schlau. Warum hast du mir denn heute mittag nicht gesagt, du würdest einfahren lassen, he, was?« Er lächelt überlegen, gähnt dann und trinkt nochmals. Nun sieht er den Förster mit zusammengekniffenen Augen geheimnisvoll zwinkernd an und sagt gezwungen: »Übrigens schmeißt mich der Rittmeister nicht nur
deswegen
raus.«
»Nein?« sagt der Förster und fragt: »Hast du übrigens gesehen, ob der Schulze auf seinem Hof ist?«
»Doch«, sagt Negermeier. »Kam vorhin mit dem Leutnant rein.«
Das paßt Kniebusch gar nicht. Wenn der Leutnant drin ist, hat es keinen Zweck, zum Schulzen zu gehen und mit ihm über die Hypothek zu reden. Und es wäre doch notwendig. In fünf Tagen sind die Halbjahreszinsen wieder einmal fällig, und er kann sich doch nicht zweihundert Mark Papier in die Hand stecken lassen!
»Bist du doof auf beiden Ohren geworden, Förster?!« schreit Meier. »Ich frag dich, wie alt die Weio ist!«
»Das gnädige Fräulein –? Die ist im Mai fünfzehn geworden.«
»O wei! O wei!« markiert Meier. »Da schmeißt mich der Rittmeister bestimmt raus!«
»Wieso denn?« Kniebusch versteht nicht, aber die immer wache Neugierde des Zuträgers und Spitzels stachelt ihn schon. »Was meinst du denn?«
»Ach, laß man!« Meier macht eine großartige, wegwerfende Gebärde. »Erfährst du alles noch früh genug.« Er trinkt und sieht den Förster wieder durch die zusammengekniffenen Lider unverschämt feixend an. »Aber eine großartige Brust hat das Mädchen, das kann ich dir sagen, Kniebusch, alter Genießer!«
»Welches Mädchen –?« fragt der Förster verblüfft. Dies will er denn doch nicht glauben.
»Na, die kleine Krabbe, die Weio!« sagt Negermeier nachlässig. »Eine süße Puppe, sage ich dir. Wie mich die da vorhinin ihrem Liegestuhl begrüßt hat. Auf dem Küchenanbau, sage ich dir, nur im Badeanzug. Und dann hat sie so die Achselbänder losgemacht und dann – na, reden wir nicht davon, Kavalier bleibt Kavalier!«
»Du spinnst ja, Meier!« sagt der Förster Kniebusch empört. »Du sohlst ja! Du bist ja besoffen!«
»Natürlich sohl ich«, sagt Negermeier mit gespielter Gleichgültigkeit. »Natürlich bin ich betrunken. Aber wenn dich einer fragt, Kniebusch, dem kannst du von mir bestellen, daß die Weio da« – er zeigt auf die Brust, ziemlich tief unterhalb der Achselhöhle – »ein kleines braunes Muttermal hat, und ein süßer Knutschfleck ist das, Kniebusch, kann ich dir flüstern …«
Meier sieht den Förster erwartungsvoll an.
Der grübelt laut: »Daß du sie im Badeanzug gesehen hast, Meier, das will ich dir glauben. Auf dem Küchenanbau hat sie schon ein paarmal so gelegen, und die gnädige Frau will es partout nicht leiden, das weiß ich von der Köchin Armgard. Aber daß sie sonst mit dir … nee, Meier, das nehme ich dir nicht ab, das mußt du Dümmeren als dem Förster Kniebusch erzählen!«
Der Förster grinst, jetzt fühlt er sich überlegen. Er schiebt das halbvolle Schnapsglas zurück und steht auf: »Komm, Cäsar!«
»Das glaubst du mir nicht?!« schreit Negermeier und springt auch auf. »Du ahnst ja nicht, Kniebusch, wie verrückt die Weiber nach mir sind. Alle kann ich sie haben, alle! Und die kleine Weio …«
»Nee, nee, Meier«, sagt Kniebusch, verächtlich grinsend, und macht sich mit diesem Ausspruch den kleinen Meier zum ewigen Todfeind. »Für ’ne Stallmagd oder Geflügelmamsell reicht es vielleicht bei dir. Aber das gnädige Fräulein, nee, Meier, du bist eben besoffen …«
»Soll ich dir’s beweisen?!« schreit Meier förmlich. Er ist vor Alkohol, Wut,
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