Wolfgang Ambros - Die Biografie
glaubst, das Ding ist ein Placebo, weil Minuten vergehen und alles ist so, wie du es kennst. Vor lauter Fadesse zündest du dir eine Zigarette an und auf einmal, auf einmal wird die zigarette länger und sie dehnt sich aus auf einen meter und du glaubst nicht was du siehst und während du die riesige zigarette anschaust kriegst du einen lachkrampf und dein gegenüber kriegt einen lachkrampf weil der auch etwas sieht was sich verändert vielleicht den kellner und wie sich sein gesicht verformt und er ausschaut wie ein krokodil und die frau dort vorne stiert dich an mit einer fratze und zeigt ihre langen zähne und dann wieder dehnt sich der raum und zieht sich zusammen und die ecken verzerren sich als wäre die perspektive aus wasser und du weißt nicht warum diese dinge passieren aber sie passieren ohne dein zutun und du kannst nur schauen und irgendwann kommt dir das nicht mehr so komisch vor weil die realität verschwimmt und die zeit nicht mehr gilt weil sie jetzt rückwärts läuft oder nach oben und was dir noch so merkwürdig vorkommt ist der umstand dass der blick nach außen immer unklarer wird und sich die wahrnehmung nach innen verlagert und du spürst dich ganz anders und viel intensiver und kannst dich nicht auf den wundermenschen vor dir konzentrieren weil dein innenleben gerade in flammen steht und du denkst an deine kindheit oder an einen streit mit der freundin was dich in der sekunde todtraurig macht und du erinnerst dich an einen urlaub und den strand und die sonne was dich in der sekunde mit einem wasserfall von glück überschüttet und du sitzt einfach da hörst im hintergrund die musik und die ganze welt ist in deinem kopf komprimiert und wird noch kleiner und alles verdichtet sich zu einem schwarzen loch und dann schließt du die augen und fällst einfach hinein.
Acht Stunden dauert so was. Es ist lebensgefährlich, weil du hängen bleiben kannst. Da gibt es einen Typen, der hat einen Trip zu viel geschluckt und glaubt seither, er sei eine Maus. Andere habensich vom siebten Stock gestürzt, weil sie überzeugt waren, sie könnten fliegen. Ein Mann hat einmal seine Frau mit einem Samuraischwert aufgespießt, weil er sie für den Antichristen hielt. Das heißt, LSD ist keine Gaudi, die du zum Frühstück einwirfst, damit der Tag bunt wird.
Damals hab ich das noch nicht so gesehen. Meine Mutter rief an nach so einer durchwachten Nacht und sagte, da ist was von der Post gekommen. Die Aufforderung zur Musterung und der Termin wär’ jetzt. Wo mir gerade das LSD im Kopf ein Kino gespielt hat, und zwar den Director’s Cut. Ich, noch voll auf Trip, schwing mich auf mein Moped, eine DS 50, und fahr nach Bad Vöslau zur Musterung. Das war ein Theater. Mit lauter Bauernschädeln sitz ich dort herum, total schräge Optik, und irgendwann komme ich zum Arzt. Der schaut mich nicht einmal an, klopft mich beiläufig ab, sagt, ich soll gerade stehen, misst mich ab, wiegt mich ab und sagt, ja, tauglich.
Pfuh, denk ich mir, supa.
Die Wirkung der Droge, es war eine der letzten Tabletten aus dem Doserl, hat dann relativ schnell nachgelassen. Ich also wieder rauf auf die DS 50, zurück nach Wien und sofort zum Joesi: »Oida, die haben gesagt, ich muss einrücken.«
Und gleich darauf haben wir das auch schon verdrängt, weil uns die Kunst in die Glieder gefahren ist. Nach dem Hofa hat uns die Eingebung aus dem Nichts heraus besucht. Text, Musik, Lied. Es flog daher wie etwas auf durchsichtigen Schwingen. Text. Musik. Lied. Wintersunn, Pompfinewra, alles, was später auf dem ersten Album drauf war. Was der Joesi nicht schon fertig hatte, ist ihm jetzt aufs Papier geronnen. Poesie im Handumdrehen. Ich hab irgendwas dazukomponiert, ohne viel Nachdenken, ohne jedes Wissen. Vollkommen ahnungslos dahergeschrieben. Diese Lieder sind, wenn man sie harmonietechnisch betrachtet, zum Teil genial. So was fiele mir heute gar nicht mehr ein. Die Unbedarftheit hat dirigiert, die Unbekümmertheit gab den Rhythmus vor. Es ist ja nicht so, dass ein Unsichtbarer bei dir sitzt und dir zuflüstert: Oida, das wird ein Hit.
Das erste Glied einer Kette von Ereignissen hat sich dann natürlich im Hawelka materialisiert. In Gestalt der Adele, der leicht pummeligen französischen Italienerin. Die ist gestanden auf mich, mein Typ war sie nicht so, aber wir waren gute Freunde. Die Adele wiederum hatte einen Verehrer, einen gewissen Puntschuh, den Vornamen weiß ich nicht mehr. Den brachte sie so weit, dass er mir einen Termin im
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