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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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Wie wir so auf einer Parkbank in der Nähe vom Swiss Cottage hocken und beratschlagen, wie wir es anstellen, am nächsten Morgen nicht immer noch hier zu sitzen, humpelt eine alte Frau daher an ihrem Stecken, lässt sich neben uns auf die Bank nieder und sagt: »Scheiß mich an!«
    »Sprechen Sie Deutsch?« Auch diese Frage ist überflüssig. Wenn jemand neben dir auf einer Parkbank in London »Scheiß mich an!« sagt, ist er kein astreiner Engländer.
    »Na freilich«, keift sie, »Huber heiße ich, Huber.« War die aus Wien.
    »Frau Huber«, sagen wir wie aus einem Munde, »wo wohnen Sie denn?«
    »Eh gleich da«, sagt sie und deutet irgendwohin.
    »Sagen Sie, Frau Huber, haben Sie vielleicht ein Zimmer frei?«, fragen wir.
    »Ja, habe ich«, sagt sie. Sind wir also bei der Frau Huber eingezogen.
    Es war nur ein Kammerl mit zwei Betten, aber für uns der schiere Luxus. Speziell nach dem Desaster der ersten Nacht. Beider alten Huberin hat man nicht dringlich befürchten müssen, dass es ihr einfallen könnte, sich die Untermiete auf Griechisch bezahlen zu lassen. Sie bekam englische Pfund, eine Summe, die wir uns leisten konnten. Ab und zu hat sie auch was gekocht. Natürlich war sie komplett verrückt, und nicht nur, weil sie zwei wildfremde Langzottelige von der Parkbank weg mit nach Hause nahm. Ihre Lieblingsbeschäftigung war Fernsehen, soweit es damals ein Programm gegeben hat, sie hat sich ausschließlich Comedys angeschaut und ganz schrill gelacht. Hihihihihihihi! Ein vogelartiges Kichern, wie von Hitchcock erfunden. Hin und wieder habe ich mich dazugesetzt und geschaut, was da so lustig war, hab aber kein Wort verstanden. Mein Englisch war, nennen wir es einmal rudimentär.
    Hat mich aber nicht gestört. Mit knapp achtzehn kommst du mit den Dingen zurecht, wie sie sind. Mit einer Weltstadt wie London genauso easy wie mit einer Sprache, zu der dir zwei Drittel der Vokabeln fehlen. Mit diesem Wortschatz habe ich mich in der Bond Street eingefunden und im Geschäft vorgestellt. Mit meinen langen Haaren war ich dort sofort einer von allen. Als Friseur hätte ich damals kein neues Leben anfangen wollen, da musst du automatisch arbeitslos gewesen sein.
    Die Zeit bei One Stop Records war wie die Platten, die wir verkauft haben. Ein Hit. Ich war im Epizentrum des Groove. Die mussten sich hier nicht wie ich bei meinen Bestellungen im Musikhaus Dreiviertel auf ihr Gespür verlassen, um zu riechen, was jetzt wahrscheinlich wahnsinnig angesagt ist. Die haben angesagt. Was an Hörenswertem auf der Welt produziert wurde, war vorrätig. Egal, wonach gefragt wurde, wir hatten es. Wer da bei der Tür reingekommen ist, ist als Tonangeber rausgegangen. Mehr noch. Es sind die wirklichen Tonangeber bei der Tür reingekommen. Mick Jagger war Stammgast in dem Laden.
    Leser: »Wie war der, stoned?«
    Ich hab ihn gar nicht erkannt. Ich hab meine Arbeit gemacht und an die Ingrid aus Schleswig-Holstein gedacht. Er hat in den Regalen gestöbert, sich eine Platte ausgesucht und sie zur Kassa gelegt.Wie ich draufgekommen bin, wer da grad bezahlt hat, war er schon weg. Man hat sich nicht auf den Boden geworfen, wenn einer der Big Shots hereingeschneit ist, will halt der Clapton wieder schauen, was es Neues gibt. Man hat sich schnell dran gewöhnt.
    Mein Freund Alex ist nach zwei Wochen heimgefahren, ich war jeden Tag um neun in der Früh im Geschäft und abends im Roundhouse, das es ja heute noch gibt. Letztens hat der Robbie Williams dort sein neues Album vorgestellt. Das Roundhouse war nur ein Stückerl weiter von mir die Straße runter und ein Riesenglück, weil ich da was anderes zu hören gekriegt habe als das Hitchcockkichern daheim. Ständig traten irgendwelche Bands auf, die Fairport Convention haben zum Beispiel oft dort gespielt. Das Roundhouse war mein Wohnzimmer, nach und nach habe ich immer mehr Leute kennen und immer besser Englisch reden gelernt. Beides führte zu einem Techtelmechtel mit einem Mädel, eine erfreuliche Alternative zur Frau Huber.
    Nach drei, vier Monaten kam mir zu Bewusstsein, dass ich keine Aufenthaltsgenehmigung hatte. Bei One Stop Records hatte mich niemand danach gefragt, die gaben mir meine fünfzehn Pfund auf die Hand, schwarz. Damit habe ich die Miete bezahlt, das Roundhouse unsicher gemacht und mich von Fish & Chips ernährt. Die Sache mit dem Visum lag mir mehr im Magen. Ich habe schon davon geträumt, wie sie mich holen, verhören und einsperren.
    Zu dem Muffensausen gesellte sich auch noch das

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