Wolfgang Ambros - Die Biografie
Heimweh. Nach Wien und, trotz meiner englischen Liebschaft, nach der Stupsnase aus Schleswig-Holstein. Der Ingrid habe ich Briefe geschrieben, meiner Mutter habe ich Briefe geschrieben. Die Sehnsucht hat in meinen Eingeweiden umgebaggert, das Visum hat mir im Kopf herumgespukt. Obwohl noch Hochsommer war, hat mir London ins Gemüt genieselt, und es reifte der Entschluss in mir, England hinter mir zu lassen. Bei Nacht und Nebel bin ich verschwunden. Über den Kanal nach Ostende, drei Tage danach klatschte ich mit Zwischenstationen in diversen Heuschobern wieder in Wien auf.
Im Rucksack hatte ich kaum mehr als vorher, aber über Musik brauchte mir jetzt niemand mehr was erzählen. Ich kannte nicht nur alles Relevante, was damals auf Vinyl gepresst wurde, ich wusste auch die Insidergeschichten. Die habe ich gleich einmal ins Hawelka getragen.
Dort war alles wie einst im Mai. Dieselben Leute, dieselben Gespräche, dieselben Kellner. Sogar die haben gesagt: wie immer. Auf den Rest meines Lebens traf das nicht zu: kein Job, keine Freundin, keine Wohnung.
Im Musikhaus Dreiviertel zuckten sie die Schultern, leider, Herr Ambros, wir haben schon wen anderen, und tatsächlich, irgendein Schnösel machte dort allenthalben meinen Job. Die Ingrid hat mir den Weisel gegeben. Nur mein Freund Alex ließ mich übergangsweise wieder bei sich im zweiten Bezirk einziehen. Was auch gleich ein paar andere Probleme löste. Der Alex war nämlich ein großer Puderant. Ständig schleppte er Damen ohne Namen an, das war paradiesisch, weil die meistens zu zweit gekommen sind und mir Schleswig-Holstein auf einmal gar nicht mehr so wichtig war. In dieser Zeit entdeckten wir auch das lustige Gras.
Marihuana kriegte man nicht an jeder Straßenecke, außerdem war es teuer. Anfangs war es ein sporadisches Vergnügen, aber bald hatte so gut wie jeder was eingesteckt. Da hat es sich so richtig verbreitet, in den beginnenden Siebzigern. Jeder hat geraucht. Wo du hingekommen bist, hatten die Leute einen langsamen Blick und ein Lächeln von grenzenloser Unbekümmertheit.
Was uns kurz ins Praktische führt, einmal angenommen, rein hypothetisch, man will was dampfen. Pass auf, ich sag sie dir:
Die sieben Regeln für den perfekten Joint
Da gibt es keine sieben Regeln, ich bin nämlich Pfeifenraucher. Weil das einfacher ist als dieses Gefitzel und Geschleck
mit den Papers. Es genügt eine handelsübliche Pfeife.
Eine Tabakspfeife besteht meistens aus einer Kammer zur
Verbrennung des Tabaks und einem Holm, der vom Pfeifenkopfausgeht und im Mundstück endet. Das Mundstück wurde früher aus Ebonit, einem Hartgummi aus Naturkautschuk
und Schwefel, gefertigt, ist aber heutzutage aus Acryl, einem
hitzebeständigen synthetischen Kunststoff, und wird in den
Holm eingesteckt. Wichtig: Man schaut, dass die Pfeife von
Rückständen befreit, also gesäubert ist.
Man nimmt eine Zigarette, bröselt den Tabak heraus und
stopft die Hälfte auf den Pfeifengrund. Das ist die Basis.
Man garniert das mit einem Kraut nach Wahl. In Indien nennt
man es Bangh. Das ist die Essenz.
Dann kommt eine dünne Schicht Tabak drüber. Das ist der
Oberbau. Pedanten drücken das Gemisch noch im Pfeifenkopf
nieder. Jetzt kann man das Pfeiferl anheizen. Vorsicht mit dem
rechten Daumen, der brennt leicht an. Der Tabakrauch wird
von der Glutstelle durch den restlichen Tabak in den Holm
gezogen, wo er eventuell gefiltert und durch das Mundstück in
den Mund aufgenommen wird, sodass er sich in den Lungen
und in weiterer Folge auch im Hirn ausbreitet.
Es ist illegal. Also Hände weg.
Für mich gilt die Unschuldsvermutung.
Ich hatte, wie gesagt, überhaupt kein Geld. Und kurz darauf nicht einmal mehr Haare. Ich der Not habe ich nämlich meine Mutter angeschnorrt und die hat gesagt: »Wenn du dir die Haare schneiden lässt, kriegst du fünfzig Schilling.«
Das habe ich auch gemacht. Trotzdem hat sich die Kathi für mich interessiert, eine wunderschöne Hippie-Frau, die mich über alle Maßen fasziniert hat. Zu meiner großen Freude und zu meinem Glück inmitten meiner sonstigen Orientierungslosigkeit.
Der Joesi wusste dafür ganz genau, was er wollte, und verkündete, er werde jetzt Poet. Nachdem sie auch ihn von der Graphischen wegkomplimentiert hatten, ließ er sich im Hawelka nieder. Dort hat man sich wiedergetroffen. Er hatte damals schon alles Mögliche geschrieben und sein Entschluss war ehern. »Ich werde Dichter.«
Hat mir sehr imponiert. »Na
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