Wolfgang Ambros - Die Biografie
ich muss zum Panoukla gehen, das ist ein Gasthaus, also ein Restaurant, einheimische Küche, ich soll gleich zum Panoukla hin, das ist auch der Wirt, Panoukla heißt übersetzt die Pest, ist das nicht komisch, Cindy, hörst du mir zu, ein Mann mit einem Wirtshaus, der Pest heißt, Pest, und dort in dem Lokal findet man auch den Ferdinando aus St. Pölten, stell dir vor, ein Niederösterreicher, der Ferdinando heißt, ja Niederösterreich, das ist in Österreich, steckt ja schon im Namen drin, aber egal, es ist jedenfalls nicht in Griechenland, auch nicht Australien, weil man das ja immer mit Österreich verwechselt, und dieser Ferdinando, das hat wiederum der Tilmann gemeint, bringt mich dann mit seinem Motorboot hinüber nach Petraki, und dort bei den Felsen, sagt er, könnt ihr eure Zelte aufschlagen und übers Meer schauen, und so war es dann auch, wir haben den Sonnenuntergang erlebt und die Freiheit genossen, Petraki, Cindy, einmal im Leben musst du in Petraki gewesen sein, Cindy, Cindy?
Ist mir die Cindy doch tatsächlich eingeschlafen.
Und wie die Beth da an meinem Brustkorb schnaufte, fiel mir genau diese Koksnacht ein, in der ich eine nasale Idee von dem gekriegt habe, womit sich mein New Yorker Neuanfang tagtäglich beschäftigt. Von der Frankfurter Begebenheit hatte ich, vor allem aus Zeitmangel, nichts der Beth erzählt, Beth, der Drogenfahnderin.
Die Beth lastete schwer auf mir in dieser Nacht, in der ich meine Tunnels an die Decke starrte. Ich glaube, ich hatte sogar einen Albtraum, in dem Ike Turner und sein Hundert-Dollar-Schein vorkamen, mit dem er mir das weiße Gift waagrecht reingeblasen hat. Dann ist mir neben der schlafenden Beth ganz anders geworden, genau wie damals neben der Cindy, und ich musste raus aus der Wohnung, genau wie damals aus dem Loft. Schweißnass wachte ich auf. Das Bett war leer, keine Spur von der Beth. Das Leintuch roch noch nach Sünde, aber der Lockvogel war ausgeflogen. Mein Don Johnson mit Titten war auf Streife. Na, grüß Gott.
Das alles soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Officer Beth ein böses Mädchen war. Sie kokste selber, vermutlich nicht weiter verwunderlich, wenn man das Rauschmittel Nummer eins in New York Tag für Tag vor Augen hat und sich bedienen kann wie im Drugstore. Bei unserem Techtelmechtel in Wien war sie clean gewesen, aber wohl hauptsächlich deswegen, weil bei uns kein Mensch Kokain hatte in den Siebzigern. Als verdeckte Ermittlerin stand ihr die Asservatenkammer im Polizeirevier sperrangelweit offen, dort konnte man sich in günstigen Momenten mit Marschierpulver für die nächsten Monate eindecken. Oder sie zweigte den Stoff gleich bei einer Verhaftung ab, die Marge für den persönlichen Bedarf.
Als die Beth am Abend in die Wohnung zurückkam, schnippte sie mir jedenfalls gleich einmal drei Gramm Kokain auf den Tisch, drei unscheinbare Briefchen mit dem Polizeistempel drauf, ein hübsches Häufchen, wenn man es ausleert. »Schau«, sagte sie, »das hab ich uns mitgebracht, als Vorspeise.« Gegessen haben wir natürlich nichts. Das Teufelszeug hat den Unschuldsengel ziemlich enthemmt.
Innerhalb kürzester Zeit war ich von dem Gift vollkommen abhängig. Ich hatte ja tagsüber nichts zu tun. Die Beth war auf ihrer geheimen Mission, ich insgeheim ein Strotter. In immer größeren Kreisen irrte ich mit meiner neuen Gitarre herum bis hinunter nach Brooklyn und wieder zurück. Gleich ums Eck von uns gab’s einen JB’s Club, JB für Jim Beam. Ich fragte, ob ich dort spielen dürfte. Der Mann hinter der Schank meinte, let’s see, am Nachmittag vielleicht. Dann hat er sich was angehört von mir, und das war’s. Wahrscheinlich, weil ich mehr Akzent als englische Songs hatte. Oder weil ich keinen Scotch bestellen konnte. Oder weil ich schon wie ein Junkie aussah.
Ich war verwahrlost, aber frei. Drei Monate lang hatten die V-Frau und ich eine sehr tempolastige Zeit. Die Beth-Connection sorgte für nie versiegenden Nachschub, wir flogen durchs Leben auf einer schneeweißen Kanonenkugel. Ich verdiente mir Geld, indem ich ein Auto nach Los Angeles überstellte, einen kleinen Toyota. Weil die Amerikaner nicht kuppeln und schalten können, war man in der Firma, die solche Autoheimholaktionen anbot, leicht verzweifelt. In einer Woche sollte der Wagen in L.A. sein. »Ich kann das«, sagte ich, die Beth bekam frei, wir fuhren los und direkt in ein mörder Schneetreiben hinein.
Leser: »Du bist mit dem Pulver in der Nase und einer Drogenfahnderin
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