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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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im Auto quer durch Amerika gefahren?«
    Nein, der erkleckliche Vorrat, den wir uns für eine Reise von Beths Beute angespart hatten, lag im Kofferraum, es war Anfang März und ein echtes Schneetreiben. Nach Monaten bin ich zum ersten Mal aus der Stadt rausgekommen und habe die USA gesehen. Alles, was zwischen New York und Los Angeles liegt. Wenn du nur New York kennst, warst du nicht in Amerika. Wir sind durch den Tunnel nach New Jersey hinüber getaucht und plötzlich waren keine Häuser mehr da. Nur Land, Natur, ein endloser Haufen Gegend. Ich bin gefahren und gefahren mit dem kleinen Toyota. Oklahoma, New Mexico, zuletzt rauf in die Berge vor Los Angeles. Mit drei Tagen Verspätung, das hatte ich unterwegs telefonisch geregelt, lieferten wir den Wagen ab, nicht eine einzige Delle, thanks a lot, bye, bye.
    Zwei Stunden später hatte ich etwas gemietet, das früher einmal ein Auto gewesen war. In L.A. bist du ohne Wagen aufgeschmissen. Die Stadt ist ein einziges Flickwerk, als hätte ein Riese seinen Baukasten zum Spielen ausgeschüttet und die Teile dann liegen lassen. Kein Zentrum, kein Stadtkern, viertausend Quadratkilometer Fläche durchgängig bebaut. Wir haben das Nötigste vom Walk of Fame bis zu den Villen in Beverly Hills und Bel Air besichtigt. Mehr als Schauen war eh nicht drin, die Reichen haben sich dort selber weggesperrt.
    Wir sind recht bald abgerauscht. In Las Vegas haben wir kurz mit dem Glück gespielt und ein paar einarmigen Banditen die Hand gegeben, dann ging’s weiter nach Mexiko. Damals konnte man mit einem amerikanischen Leihwagen noch so einfach über die Grenze. In der Nähe von Mazatlán fanden wir einen Sandstrand wie aus dem Bilderbuch der Träume, stellten unser Zelt auf und setzten uns in den Sonnenuntergang. Das Meer sah aus, als hätte es türkise Sommersprossen, hellgrüne Wellen streckten uns gutmütig die Zunge heraus. Mit diesem Gemälde vor Augen schliefen wir ein.
    Am nächsten Tag war das Auto aufgebrochen. Das Gwand war weg, das Geld war weg, die Gitarre war weg. Meine wunderbare Martin, geflaucht von irgendwelchen Schnauzbärtigen. Ich machte Meldung bei der örtlichen Polizei. Nicht weil ich so weltfremd war zu glauben, dass sie uns die Marie wieder beschaffen würden, sondern weil ich hoffte, sie finden wenigstens die Martin. »So eine Gitarre gibt es in ganz Mexiko nicht«, erklärte ich dem uniformierten Hünen, der unerwartet hilfsbereit war.
    »Wir werden das verfolgen«, versprach der Capitán, schrieb die Martin zur Fahndung aus, als wäre sie ein vermisstes Kind, und drückte mir fünfzig Dollar in die Hand, die er mit höchster Wahrscheinlichkeit gerade jemandem abgenommen hatte, der ihm weniger sympathisch war.
    Tag für Tag erschien ich auf der Wache und erkundigte mich nach meinem Instrument. Tag für Tag kam ich mit weiteren fünfzig Dollar vom Hünen an unseren kriminell schönen Strand zurück.Die Beth und ich lebten an diesem Tatort wie die Fürsten, von der Last jeden Besitzes befreit und in unbeschwerter Sorglosigkeit, wegnehmen konnte man uns ja nichts mehr. Vermutlich wäre das noch ewig so weitergegangen, wenn die Beth nicht wieder in die New Yorker Drogenszene hätte abtauchen müssen.
    Kurz vor unserer Abfahrt wollte ich noch einmal wegen meiner Gitarrre Druck machen. Der spendable Capitán war im Einsatz am anderen Ende des Strandes. Ich fuhr ihm nach und kam gerade zurecht, wie er zwei Halbwüchsige auf einem Volksfest verhaftete. Mit den Pranken, die seiner vierschrötigen Gestalt an Größe nicht nachstanden, hob er die kleinen Gauner hoch, ließ sie mit routinierter Leichtigkeit in die grüne Minna fallen und lächelte mich an. Ich dachte schon, er hätte die Gitarrenräuber dingfest gemacht, aber die Martin blieb verschollen.
    »Ich muss langsam heim«, sagte ich zum Capitán.
    »Tut mir leid, Kumpel«, sagte er, »wenn ich deine Martin finde, schicke ich sie dir nach.« Bevor er mir die Hand gab, griff er in die Hosentasche, holte ein fettes Bündel Pesos heraus und hielt sie mir hin. »Gute Reise, Gringo.« Es waren umgerechnet an die dreihundert Dollar.
    Bis zu einer Bank in Los Angeles hat das locker gereicht, in New York hat es mir gereicht. »Du«, sagte ich zur Beth, »ich glaube, ich muss wieder nach Hause.« Dann buchte ich meinen Rückflug, stieg in den Flieger und habe die Beth nie wieder gesehen. Ein halbes Jahr nach meiner Sinnkrise war meine Odyssee zu Ende.
    Ich war wieder in Wien. Allein im Haus in Inzersdorf. Hinter mir eine

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