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Wolfgang Ambros - Die Biografie

Wolfgang Ambros - Die Biografie

Titel: Wolfgang Ambros - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ambros
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lange weiße Straße, vor mir der Nussbaum. Ich saß am Küchentisch und fürchtete mich vor ihm zu Tode. Meine Gedanken kreisten mich ein, zogen sich um mich zusammen und füllten auf einmal auch das Blatt Papier vor mir, das tagelang unbeschrieben dalag und meinen seelenwunden Blick ertrug. Da junge Mensch sitzt gottergeben und fiacht si vua die Bam vurm Fenster, er hot si an die Agonie verkauft, de schenan Zeiten san vurbei, er is gelähmt vua Angst.
    Ich erkannte mich nicht wieder und hätte mir Sorgen um mich gemacht, wenn ich mir nicht solche Sorgen um die Zukunft gemacht hätte. De gaunze Kroft hot eam verlossn, wo san die Toge, wo da Wind den Koda in der Fruah verblosn hot. Er hot die Spiele imma gwuna, er hot zu leichte Gegner ghobt, er hot net glaubt, dass er amoi valiern könnt. De is vorbei, ollas vorbei, er is allan, gaunz allan. Er söba is jetzt sei größter Gegner, und söba tuat si neamt gern weh, oba jetzt muass er, weu er waaß net, wia heat des auf, wia wird des weidagehn. Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, grub mich mitsamt meinem gescheiterten Plan, in Amerika Karriere zu machen, ein und muckste mich nicht. Er wü vermeidn, dass er unguat auffoit, er flüchtet in die Selbstzerstörung, vü Schnops, vü Rauch und vü Kaffee, bis eam amoi die Luft wegbleibt. So konnte das nicht weitergehen.
    Der Zufall wollte es, dass mein Schlagzeuger, der Nockerl, und mein Bühnenlichttechniker, der Manfred Leist, ebenfalls gerade Trennungen hinter sich hatten. Sie zogen bei mir ein, in die WG der Verlassenen, und näherten sich mit mir dem Ende der Sinnkrise. Und irgendwann waren sie fertig, die Lieder für das nächste Album, mit denen ich mich wieder ins Geschehen hineingearbeitet habe. Ich taufte es der Stimmung entsprechend Hoffnungslos. Branko Zivanovic glaubte unerschütterlich an mich: »Du machst das schon, du wirst noch Hits schreiben.« Ja, ja, dachte ich, auf der Platte ist jetzt einmal keiner drauf.
    So ist das einmal mit der Kunst. Manchmal machst du etwas, das du für großartig hältst, zeigst es der Welt, und die sagt, ein Scheißdreck ist das. Dann machst du etwas, was du für weniger großartig hältst, und die Welt sagt, dieses Lied gehört gehört. Letztlich entscheidet der Zuhörer daheim, ob er einen Musiker mag oder nicht. Manche nennen es freie Marktwirtschaft, ich sage, es ist die Ehrlichkeit des Schaffens, die eine Nähe erzeugt. Das Handwerk ist die Pflicht. Das Zierwerk ist die Kür. Ein Quantum Glück ist es, das deine Platte auf viele Teller legt. Du kannst es nicht bestechen, du kannst nur ein paar Muster beachten. Pass auf, ich sag sie dir: Die sieben Regeln für das perfekte Liedermachen
     
Du suchst dir ein Leiden. Oder eine Leidenschaft. Du hast
     vielleicht jemanden, der dir das Herz gebrochen hat. Jemanden, der dein Leben auf den Kopf gestellt hat. Eine Situation,
     die alles verändert hat. Du wählst ein Thema aus und definierest die Richtung, wird es Liebe oder was Lustiges oder was
     Tragisches. Du bist der Schöpfer deiner Klangwelt. Dein Lied
     darf alles auslösen, Erstaunen, Neugier, Kummer, Herzklopfen, Melancholie, Schmunzeln, Wehmut, Verstörung. Bloß
     keine Langeweile.
Du brauchst einen starken Satz. Der muss so klar sein, dass
     man ihn am liebsten in Stein meißeln würde. Verwahrlost,
     aber frei ist besser als frei, aber verwahrlost. Das eine eröffnet
     unbegrenzte Möglichkeiten, das andere schickt dich nur unter
     die Dusche. Dann musst du an deinem ersten Satz arbeiten,
     da hilft dir nichts und niemand. Mit ihm kann das Lied oder
     sogar der Refrain beginnen. Mit ihm steht und fällt die Komposition.
Du hast deinen ersten Satz oder auch nur ein Schlüsselwort,
     vielleicht so was wie Bikinizone. Oder Totentanz. Oder auch
     nur Sexualverbrecher. Dann überlegst du, was man damit verbinden kann. Schreib ein paar Gedankenfetzen dazu, im Idealfall ganze Sätze, die gut klingen. Irgendwo da drinnen steckt
     der Anfang vom Lied oder, wenn du schon den Kern herausgekitzelt hast, der Refrain, das weißt du vorher nie. In diesem
     kreativen Kokon bist du einsam. Musiker bumsen nicht ausschließlich Groupies, sie sind oft allein. Sie arbeiten. Mehr, als
     man gemeinhin glaubt.
Jetzt kann es sein, dass du deinen Text fertig hast, aber die
     musikalische Ausarbeitung nicht so originell ist, wie du dir das
     vorgestellt hast. Am besten, du gehst zu deinen Freunden und
     zeigst ihnen, was du bis dahin verbrochen hast. Nimm dafür
     nur gute Freunde. Schlechte

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