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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Autoren: Roman Rausch
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anderen drängten Gummibäume aus den verglasten Zellen der fleißigen Staatsbediensteten ans Tageslicht.
    Eines der vielen Fenster an der vorderen Front war geöffnet. Glückwünsche, das helle Klingen von Sektgläsern und das unaufhörliche Läuten eines Telefons klangen herüber. Sie nahm einen letzten tiefen Zug, löschte die Zigarette in einem reich verzierten Aschenbecher und schob ihn tief unter eine Kommode. Sie atmete tief ein und aus, damit der letzte Rest Nikotin sich verflüchtigte. Als sie im Begriff war, in die Wohnung zurückzugehen, sah sie noch einen Mann, der das Regierungsgebäude betrat.
    »Auf welchem Zimmer finde ich Herrn Stahl?«, fragte John Frankenheimer den Mann am Empfang. Er hatte seinen Mantelkragen hoch gestellt, um sein kantiges Gesicht gegen den kalten Oktoberwind zu schützen. Seine gut gebräunte Haut zeigte, dass er den überwiegenden Teil des Jahres in wärmeren Gefilden verbrachte.
    »402. Vierter Stock, rechts, die erste Tür«, lautete die Antwort.
    Der Pförtner wies auf den Fahrstuhl, der sich gleich neben den Treppen befand.
    Frankenheimer ließ den Fahrstuhl stehen und lief die Treppen nach oben. Der Pförtner schüttelte verständnislos den Kopf und beugte sich wieder über sein Fußballmagazin.
    Das grelle Quietschen von Autoreifen und der Zusammenstoß von Metall auf Metall ließen ihn hochschrecken. Er stand auf, blickte aus seinem Glashaus und suchte über die vielen Autodächer hinweg nach der Ursache für das nicht ungewöhnliche Schauspiel an der Kreuzung Petersplatz. Ein Mercedes hatte sich in den Kofferraum eines kleinen Fiat gebohrt. Der Fahrer der Nobelkarosse klärte aufgebracht die Frau, die wie versteinert im Fiat saß, über die Regeln zügigen Straßenverkehrs auf und dass er sie für den ihm zugefügten Schaden haftbar machen würde. Zur Beweissicherung und zur Untermauerung seiner These zog er eine Passantin in das Gespräch mit ein, die kurz vor dem Aufprall die Straße überqueren wollte und somit Zeugin des Geschehens war.
    Doch sie ließ sich nicht aufhalten, sondern eilte kopfschüttelnd und schnurstracks dem Eingang des Regierungsgebäudes zu. Ihr blondes, dauergewelltes Haar war unter einem blauen Kopftuch zu einem Dutt zusammengebunden, der ihr am Hinterkopf eine seltsam anmutende Beule verlieh.
    An ihr vorbei schlenderte der Pförtner mit Notizblock und einem Grinsen im Gesicht, das bei aller Gelassenheit den notwendigen Ernst der Lage nicht vermissen ließ. Er strich sich mit der flachen Hand den Scheitel zurecht, überprüfte mit der Zunge mögliche Restbestände seiner Brotzeit an der vorderen Zahnreihe, bevor er breitbeinig und mit gezücktem Bleistift die Aussagen der am Unfallhergang Beteiligten erwartete.
    Im vierten Stock überlagerte der Lärm der Feierlichkeiten die Vorkommnisse auf der Straße. Der neue Regierungspräsident Dr. Wolfgang Stahl hatte zu einem Stelldichein geladen, um anschließend am Empfang der Diplomaten im Congress
    Centrum teilzunehmen.
    Neben zukünftigen Kollegen waren Vertreter der Parteien, der Stadt, der Kirche und der Landkreise der Einladung gefolgt. Spekulationen über den nicht unbekannten Mann machten hinter vorgehaltener Hand die Runde. Wo er sich die letzten Jahre aufgehalten und welche Stationen er durchlaufen hatte, war Grundlage wildester Spekulationen. Doch am meisten interessierte, wie lange er das begehrte Amt des Regierungspräsidenten ausfüllen würde. Stahl stand im Ruf eines ehrgeizigen Verwaltungsbeamten, der sich zu Höherem berufen sah.
    Unter den Gästen befand sich auch ein Mann, den niemand und der niemanden zu kennen schien, da er sich an keinem der Gespräche beteiligte und nur aus dem Hintergrund die Gäste beobachtete. Er hatte das wachsame Auge eines Frettchens. Keine Bewegung oder auffällige Äußerung der Anwesenden schien ihm zu entgehen. Betrat jemand den Raum, erfasste ihn sein prüfender Blick und ließ nicht eher von ihm ab, bis sicher war, dass er keine Gefahr darstellte. Hätte dieser wachsame Beobachter in seinem dunklen Anzug nicht wie ein schmächtiger Konfirmand gewirkt, wäre er leicht als Stahls Bodyguard durchgegangen. Kilian hätte in ihm Otter erkannt, den Mann, der im Residenzgarten zu Schröders Truppe gehört hatte.
    Otters Aufmerksamkeit ging zur Tür, wo Frankenheimer den Raum betrat. Dieser griff sich im Vorbeigehen ein Sektglas und hielt auf Stahl zu.
    »Meinen Glückwunsch«, sagte Frankenheimer und stieß sein Glas an Stahls.
    »John«, erwiderte Stahl
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