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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Autoren: Roman Rausch
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überrascht, »wie kommst du denn hierher?«
    »Der EU-Sicherheitstreff. Du weißt doch, die amerikanische Regierung ist bei solchen Anlässen gerne dabei.«
    »Das finde ich großartig, dass du Zeit für mich gefunden hast. Aber woher weißt du …?«
    »Neuigkeiten sprechen sich herum. Der Posten des neuen Regierungspräsidenten war sehr begehrt.«
    »Ja, ›die Besten für Unterfranken‹«, lachte Stahl und wandte sich den umstehenden Gästen zu. »Meine Damen und Herren, darf ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Ich möchte Ihnen einen alten Freund und Studienkollegen von mir vorstellen, der in seinem überfüllten Terminkalender eine Lücke für mich hat frei machen können. Darf ich Sie mit John Frankenheimer, Mitglied des US-Außenministeriums, bekannt machen. Er ist anlässlich des EU-Sicherheitstreffens in der Stadt und steht der amerikanischen Delegation vor. Wir kennen uns schon seit einer halben Ewigkeit. Bereits auf der University of Columbia hatte ich ihm prophezeit, dass er die Geschicke der Regierung maßgeblich beeinflussen wird. Und, habe ich nicht Recht behalten, du alter Streber?« Stahl amüsierte sich sehr über seine flapsigen Worte und genoss unübersehbar die Vertrautheit, die er an den Tag legte.
    Frankenheimer dagegen lächelte wohlmeinend, fühlte sich aber hinsichtlich der überflüssigen Hervorhebung seiner Person unwohl. Er hob sein Glas und nickte Stahl prostend zu.
    »Kann ich dich mal kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte er.
    Stahl bejahte und entschuldigte sich bei den Gästen. Otter zögerte, ob er ihnen folgen sollte.
    Die Frau, die den Unfallort auf der Straße überstürzt verlassen hatte, irrte unterdessen in den Gängen des Regierungsgebäudes umher. Der Bau schien wie ausgestorben. Weder auf dem Gang noch hinter den Türen traf sie jemanden, den sie hätte fragen können. Aus dem obersten Stockwerk vernahm sie Stimmen und ging die Treppe hoch. Doch auch hier zeigte sich wider Erwarten niemand. Erschöpft setzte sie sich in den Sessel einer Sitzgruppe und überlegte, ob sie sich nicht in der Adresse getäuscht hatte. Sie war bereits auf dem Weg, das Gebäude zu verlassen, als sie aus der Toilette vor ihr ein Streitgespräch vernahm. Die Stimmen kamen ihr seltsam bekannt vor.
    »Bist du verrückt geworden?!«, schrie Stahl.
    In seiner Hand hielt er Dokumente, die er fassungslos überflog. Jede einzelne Seite, die er hervorzog, schien ihn ein weiteres Stück in die Verzweiflung zu treiben. »Weißt du eigentlich, was du da von mir verlangst?«
    Frankenheimer antwortete emotionslos. »Sonst wäre ich ja wohl nicht zu dir gekommen.«
    »Nein, nein und nochmals nein«, wiederholte Stahl wütend.
    »Dann kann ich mich ja gleich erschießen.« Er zerriss die Dokumente, rannte in eine Kabine, warf sie in die Kloschüssel und betätigte die Spülung.
    »Da, wo ich das her habe, gibt es noch viel mehr, IM Amtsrat«, sagte Frankenheimer gelassen. »Ich gebe dir bis heute Abend Zeit, mir den Code zu nennen. Ansonsten bist du fällig. Hast du das verstanden, alter Kumpel? Und solltest du auf die Idee kommen, deine amerikanischen Freunde über unser Gespräch zu informieren, dann kannst du dich tatsächlich gleich erschießen. Du kennst ja das offizielle Statement: Sorry, no comment.«
    Frankenheimer ließ Stahl stehen, trat auf den Gang hinaus und sah sich mit Otter konfrontiert, der nach dem Verbleib Stahls Ausschau hielt. Er ging an ihm vorbei, die Treppen hinunter bis zum Pförtnerhäuschen, das noch immer unbesetzt war. An der Glastür hielt er abrupt inne. Etwas schien er vergessen zu haben. Er blickte in Gedanken versunken auf den Vorplatz, drehte sich schließlich um und lief wieder auf die Treppen zu.
    Der Pförtner las am Petersplatz währenddessen aus seinem Protokoll vor und schilderte mit ausladenden Handbewegungen den Unfallhergang. Die Unfallteilnehmer hörten aufmerksam zu, unterbrachen ihn aber mit Ergänzungen beziehungsweise bestritten seine Schilderungen vehement, je nachdem, wie ihre Sicht der Wahrheit aussah. Die in der Zwischenzeit eingetroffenen Polizeibeamten, die sich notgedrungen alles anhören mussten, wären um jede Unterbrechung froh gewesen, nur nicht um die, die dem Palaver schließlich ein jähes Ende setzte.
    Hoch über ihren Köpfen, im vierten Stock des Regierungsgebäudes, barst mit einem lauten Schlag eine Fensterscheibe, und ein Mann stürzte schreiend in die Tiefe. Die Augen und der Mund waren vor Angst und Verzweiflung weit
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