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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Wie naiv die damals alle gewesen sind.«
    »Und dann?«
    »Ich habe Wolfgang erst in Bonn kennen gelernt. Er war mit dem anderen Kommilitonen gerade vom Studium aus Amerika zurück. Wolfgang fand im Handumdrehen einen Job im Auswärtigen Amt, wo ich als Sekretärin arbeitete. Er war ein richtiger Frauenheld. Sah gut aus, hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen und schien keine schlechte Partie zu sein. Bei ein paar von diesen grauen Mäusen konnte er zwar nicht landen, aber das war ihm egal. Früher oder später würden auch die mal geknackt. Dann kam sein Kumpel John ins Spiel. Er war ein verdammt hübscher Bengel. Groß, muskulös, durchtrainiert und charmant. Aber der blieb nur ein paar Tage. Dann wurde er abberufen. Irgendwohin nach Skandinavien, glaube ich. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Nach Amerika soll er wohl wieder gegangen sein.«
    »Sprechen Sie von John Frankenheimer?«
    »Ja, genau. So hieß er. Frankenheimer. So ein komischer Name. Ich habe nie wieder von ihm gehört seitdem.«
    *
    Gerade hatte der Zug die deutsche Grenze hinter sich gebracht. Das Abteil war eng wie eine Zelle. Nur dass das Fenster größer und nicht vergittert war. Selbst die Tür konnte sie nach Belieben öffnen und schließen. Aber sie war unruhig bei dem Gedanken. Sie stand auf, öffnete die Tür, schob sie mehrmals hin und her und schloss sie wieder. Dann setzte sie sich und schaute zum Fenster hinaus. Keine Minute verging, bis sie erneut aufstand, die Tür öffnete und wieder schloss. Sie nahm einen der herumliegenden Fahrpläne, faltete ihn, stopfte ihn in den Lauf der Tür und zog sie mit aller Gewalt darüber. Die Tür verhakte sich nach wenigen Zentimetern, sodass sie unverrückbar offen stand und sie bequem nach draußen gehen könnte, sobald der Alarm ertönen würde.
    Das rhythmische Klacken der Schienen versetzte Julia in eine gelöste Stimmung. Die vorbeihuschenden Bilder ermüdeten ihre Augen, wie die Tränen, die sie vergossen hatte, als sie ihrem Mann davongelaufen war. Seine Wutausbrüche und die Schläge wollte und konnte sie nicht mehr länger ertragen.
    Sie sah sich wieder in diesem Café sitzen, wo sie sich mehrmals mit Männern aus Bekanntschaftsanzeigen verabredet hatte. Alle stellten sich letztlich als Lustmolche oder kleinwüchsige Schmierenkomödianten heraus. Dabei wollte sie einfach nur einen Mann, der ihr gab, was sie ihr ganzes Leben lang vermisste: Schutz, ehrliche Gefühle und eine starke Schulter, an der sie sich anlehnen konnte, wenn ihr danach war. In ihrem Job als Sekretärin im Auswärtigen Amt traf sie solche Männer nicht. Die meisten waren hemmungslose Karrieristen oder verheiratete Langweiler. Sie wollte einen Mann, der nichts mit Politik oder Wirtschaft zu tun hatte.
    Kurz vor dem Rückzug in die Einsamkeit betrat Er plötzlich das Café. Groß wie ein Baum, geschmeidig wie ein Tiger und blond wie Siegfried. Sie hatte zu zittern begonnen, als sie ihn an der Bar beobachtete. Er lächelte unaufhörlich und war gut Freund mit den Kellnerinnen. Sie fragte Luise, ob sie wüsste, wer dieser Mann war. Sie antwortete ihr, dass er Bent Sørensen hieß, ein Däne, der seit einigen Tagen ins Café kam. Mehr wusste sie auch nicht. Als Luise zurück an die Bar ging, sprach Bent sie an, und sie blickten zu ihr hinüber. Beschämt und voller Aufregung schaute sie weg.
    »Darf ich Sie zu einer Cola einladen?«, fragte Bent.
    Julia schluckte. Zögernd drehte sie sich um und blickte nach oben. Weit, fast wie vom Himmel, schaute er mit seinen blauen Augen auf sie herab.
    »Ich bin keine von denen, die man einfach so anspricht«, waren ihre letzten Worte vor der bedingungslosen Kapitulation.
    Bent setzte sich an ihren Tisch und lächelte. »Nein, natürlich nicht.«
    Julias Herz raste, wie beim allerersten Kuss.

5
    Galina streifte über den Hauptfriedhof. Sie war auf der Suche nach einer handtellergroßen Scheibe, die sie im Sommer an einem Grab verloren hatte. Sascha war indes stinksauer wie schon lange nicht mehr und machte keinen Hehl daraus, dass er sie deswegen in Regress nehmen wollte.
    »Ein Versprechen ist ein Versprechen. Und Versprechen bricht man nicht«, lautete sein Vorwurf. Dahinter verbarg sich der seltsam unerbittliche Ehrenkodex alter Männer, die es sehr genau mit Versprechen hielten.
    Die Kontakte von damals waren nicht abgebrochen, im Gegenteil, die alten Riegen hatten sich zu neuen Seilschaften zusammengefunden und wirkten unauffälliger und effizienter als in den

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