Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Aufnahmen aus dem mainfränkischen Würzburg. Wer hinter der Gruppe, die sich ›Ostfränkische Befreiungsloge‹ nennt, steckt, konnte die Redaktion nicht in Erfahrung bringen. Auch nicht, wie es den bedauernswerten Mitgliedern seitdem ergangen ist. Eine Nachfrage in den örtlichen Krankenhäusern hat keine weiteren Hinweise erbracht. Doch wir sahen uns dazu angehalten, in der Bevölkerung nachzufragen, inwieweit die erhobenen Vorwürfe geteilt werden. Dazu eine kleine, nicht repräsentative Umfrage unseres Reporters Wastl Kötzenbichler. Film ab.«
Vom Marktplatz im oberfränkischen Cham: »Gloar k’höre mir Franke zu Bayern. Scho mehr wie hunnert Joahr. Und uns gäht’s doch guat dabei. Odär?«, stammelte eine völlig verdutzte alte Marktfrau in die Kamera.
»Isch fühl misch wohl in Bayern«, urteilte ein Mann in Eile vor dem Hintergrund des Aschaffenburger Schlosses.
»Almecht, Bayern und Frank’n, des k’hört doch etz scho so lang zam und hat immer gut gedan«, echauffierte sich ein alteingesessener Mittelfranke, der sich beim Straßenkehren sichtlich gestört fühlte.
Und vom Münchener Viktualienmarkt: »Frank’n und Bayern? Mei, so a Kreiz. Was soll mer da no song …«
Zurück zu Karli Schilpert: »In diesem Sinne. Ein schönes und beschauliches Wochenende von ihrem Bayerisch-Schwäbisch- Oberpfälzer und Fränkischen Rundfunk. Widderschaun und Pfüät Eana!«
6
Schweigend saßen sie sich an den Schreibtischen gegenüber. Beide hatten sich hinter einer Zeitung vergraben. Vor ihnen dampften Kaffeetassen. Der Blick durch das Fenster nach draußen war verstellt. Erneut hüllte Nebel, der vom Main heraufgezogen war, die Zellerau in ein tristes und undurchdringliches Grau. Aus dem Nebenzimmer war Sabine, Kilians und Heinleins Sekretärin, zu hören. Sie telefonierte mit einer Freundin, mit der sie vergangene Nacht auf Tour gewesen war. Ihre schrillen Ausrufe störten die morgendliche Ruhe im K1. Die übrigen Beamten waren bis auf ein paar wenige, die Telefondienst schoben, bereits im Einsatz am Congress Centrum.
»Und? Bist du noch mitgegangen?«, tönte es aus Sabines Zimmer herüber. Nach einer kurzen Antwort brach sie in schallendes Gelächter aus. »Ich hab’s dir doch gesagt. Große Klappe, kleiner Johannes.«
Heinlein setzte genervt die Zeitung ab und rief zu Sabine hinüber: »Verdammt, schaff was und gilf hier nit rum.«
Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Zeitung. An Heinleins Wange und Haaren hatten sich sonderbare Spuren einer Verbrennung ihren Weg gebahnt. Seine rechte Hand war bandagiert und schmerzte, wann immer er etwas greifen wollte. Auf Anfrage der Kollegen, was passiert war, gab Heinlein ein verunglücktes Grillfeuer im heimischen Garten an. Mit dieser Erklärung zog er natürlich die Häme der Kollegen auf sich, doch das war weit weniger schlimm, als wenn er den tatsächlichen Hergang der Verbrennung hätte erklären müssen.
Bei seiner Frau Claudia war eine in sich logische und nachvollziehbare Schilderung jedoch weitaus schwieriger. Sie kannte ihren Schorsch und seine geheimen nächtlichen Umtriebe mit dem Erich, seinem Freund aus dem Heimatverein für unterfränkische Kultur und Historie, seit Jahren. Wenn er mit solchen Blessuren nächtens nach Hause kam, musste folglich die Geschichte bombensicher sein und durch mindestens zwei Zeugen – außer Erich, der galt als befangen, mehr noch als konspirativ und mit seinem Kumpel Schorsch unter einer Decke steckend – abgesichert sein.
Heinlein entschied sich gegen die abgesicherte Falschaussage, da seine Kollegen vom Heimatverein ebenso wie er von den Flammen gezeichnet waren. Er zog es vor, auf einen verpatzten Übungseinsatz mit den Feuerwehren zu verweisen. Der Brandherd hatte sich unerwartet ausgebreitet und drohte auf einen Mannschaftswagen überzugreifen, wenn nicht Heinlein, wagemutig und selbstvergessen, die Ausbreitung des Feuers unter Einsatz seiner Person verhindert hätte. Das anerkennende Lob seiner Kameraden sei ihm gewiss gewesen. »Alles nur Dampfplauderer«, unterstrich Heinlein vor Claudia. »Wenn es darauf ankommt, dann trennt sich die Spreu vom Weizen und die Hosenscheißer von den wahren Männern«. So war’s, und Heinlein ging voller Stolz, wenn auch sichtlich mitgenommen, nach Hause und überließ es den anderen, seine Heldentat immer wieder aufs Neue zu erzählen. Als Sabine ihn sah, grinste sie nur.
Kilian war bereits tief in seine Zeitung versunken, sodass er ihn nur kurz musterte und
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