Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Entscheidung. Er besteht darauf, dass er Einsicht in die Akten erhält, damit er rechtzeitig im Sicherheitsrat der UNO darauf hinweisen kann, mit welchen Mitteln die nordatlantische Allianz das Gleichgewicht in Gefahr bringt.«
»Wer ist er? Kenne ich ihn?«
»Das ist nicht wichtig. Er hat Zugang zu den entscheidenden Leuten.«
»Wieso machst du so ein großes Geheimnis daraus? Wenn er nichts zu verbergen hat, kann er doch in aller Öffentlichkeit auftreten.«
»Eben nicht, mein Schatz. Er ist genauso gefährdet, wie ich es bin. Jeder, der in diesen Zeiten für den Frieden arbeitet, wird angreifbar. Es ist besser, wenn du mich nicht weiter danach fragst. Vertrau mir.«
»Das tue ich. Aber ich möchte wissen, für wen ich seit Jahren meine Karriere und meine Freiheit aufs Spiel setze.«
Bent warf sich den Mantel um und beugte sich zu ihr herunter.
»Jeder von uns weiß zu schätzen, was du tust. Durch dich können wir das Schlimmste verhindern, indem wir es an die Öffentlichkeit bringen. Auch mein Schicksal hängt davon ab. Wenn ich nicht meinen Beitrag leiste, werde ich durch jemand anderen ersetzt. Wer weiß, wo ich dann lande. Vielleicht komme ich nach Asien, Afrika oder sonst wohin. Das würde für uns bedeuten, dass wir uns nicht mehr sehen können. Und das willst du doch nicht.«
Julia hielt inne und umarmte ihn. »Ich will nicht, dass du gehst. Bleib bei mir.«
Bent streichelte ihr über das Haar. »Ich muss. Wenn ich jetzt nicht gehe, komme ich vielleicht nie wieder zurück. Er ist streng und lässt keine Fehler zu. Das weißt du doch. Ich bin auf ihn angewiesen. Ohne seine Zustimmung darf ich nicht hier bleiben.«
»Dann lass uns gehen. Egal wohin. Wir beide, zusammen, werden immer etwas finden.«
»Er würde dafür sorgen, dass wir getrennt würden. Ich kenne ihn, und ich habe Angst davor.«
»Aber wie kann er das? Ich denke, er arbeitet für das
Friedensinstitut. So wie du.«
»Er hat sehr viel Einfluss. Für ihn zu arbeiten bedeutet, dass man ein Leben lang an ihn gebunden ist. Er lässt kein Nein zu.«
Bent machte sich aus ihrer Umarmung frei, nahm das Bündel, steckte es unter seinen Mantel und ging zur Tür.
»Wann werde ich dich wieder sehen?«, rief sie ihm hinterher.
»Ich melde mich. Versprochen.«
Bent schloss die Tür hinter sich. Julia wartete, bis er am Ende der Treppe angekommen war. Dann warf sie die Bettdecke zur Seite. Sie war bis auf die Bluse völlig bekleidet. Sie griff ihren Mantel und rannte die Treppe hinunter auf die Straße. Bent fuhr soeben mit dem Taxi Richtung Innenstadt. Julia stieg in ihren Golf und folgte ihm. Die Fahrt ging über den Rhein am Dom vorbei und endete am Hauptbahnhof. Er stieg am Eingang aus und betrat das Gebäude. Julia stellte ihren Golf am Taxistand ab und lief ihm nach. Die Taxifahrer riefen ihr aufgebracht nach, doch sie achtete nicht darauf. In der weiten Eingangshalle fiel es ihr schwer, Bent nicht aus dem Auge zu verlieren und unauffällig hinter ihm zu bleiben. Er betrat einen Bahnsteig, auf dem zwei Züge zur Abfahrt bereitstanden. Die Durchsage rief die Fahrgäste nach Berlin zum letzten Mal auf, den Zug zu besteigen. Bent ging hastig an den Waggons entlang und blickte durch die Scheiben in das Wageninnere. Plötzlich machte er Halt. Er blickte sich um, und Julia duckte sich hinter einer Werbetafel. Als der Pfiff des Schaffners ertönte, schlossen sich die Türen, und der Zug setzte sich in Bewegung. Bent hielt Schritt mit dem Abteil, das auf seiner Höhe lag. Das Fenster öffnete sich, und ein Arm ragte heraus. Bent holte unter seinem Mantel das Bündel hervor und reichte es zum Fenster hinein. Bent verlangsamte den Schritt und blieb stehen. Als der Waggon an Julia vorbeikam, sah sie das Gesicht eines Mannes, den sie später als Stahl kennen lernen sollte. Mit seinem dreckigen Lächeln und den von ihr beschafften Akten in seiner Hand wirkte er spontan unangenehm auf sie.
Julia schaute am Bahnsteig entlang, wo Bent geblieben war. Sie konnte ihn nicht sehen, also lief sie los. Ein Pfiff schallte schrill durch die offene Halle, die Türen schlossen sich, und der zweite Zug am Bahnsteig setzte sich in Bewegung. Sie rannte ihm hinterher. Einer nach dem anderen schoben sich die Waggons an ihr vorbei. Sie erhoffte hinter jedem vorbeiziehenden Fenster Bent zu erblicken. Außer Atem musste sie am Ende des Bahnsteiges Halt machen. Vor ihr verglommen die roten Begrenzungsleuchten allmählich im Dunkel der Nacht.
Julia starrte auf das
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