Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall
Wort eine Priorität zu und veranlasste automatisch die Abfrage des Handynutzers nach Namen, Anschrift, Beruf, Bankverbindung, Nutzung von Kredit- und EC-Karte und einer Reihe von Telefonnummern, die er in den letzten Tagen angerufen hatte oder die zu ihm Verbindung aufgenommen hatten. Diese Nummern wurden automatisch einer gesonderten Prüfung unterzogen und zeigten schließlich das Bild eines Mannes und einen Auszug seines Strafregisters. Sieben Monate lang hatte er eine Freiheitsstrafe wegen Betrugs verbüßt und stand ein weiteres Jahr unter Bewährungsauflagen. Des weiteren konnten Sperrvermerke, ein Stimmen- und Bewegungsprofil, Reise- und Konsumverhalten, ärztliche Diagnosen, etwaige politische Aktivitäten et cetera auf Wunsch zugespielt werden.
Die Würzburger Polizeibeamten standen sprachlos vor dem Monitor und beobachteten wie kleine Kinder unter dem Weihnachtsbaum, was sich da vor ihnen tat.
»Target search«, befahl der Amerikaner ruhig.
Das Satellitenbild zeigte zuerst ein Wolkenband. In schneller Abfolge wechselten die Bilder auf die Umrisse Europas, Deutschlands, Würzburgs, den Main, die Karmelitenstraße und endeten an der Kreuzung zur Juliuspromenade, wo eine Frau mit einem Handy am Ohr stand. Die Fahrzeuge hielten an der Ampel, und die Frau überquerte die Straße kurz darauf. Ein rot umrandetes Zielfeld ließ sie nicht ausbrechen und folgte ihr die Juliuspromenade entlang. Parallel zeichnete der Rechner das Gespräch des Telefonats auf und unterzog Worte wie »Zoll«,
»Flugzeug« und »gefährlich« einer Überprüfung ihrer bisher geführten Telefonate, die bei der Nennung gleich oder ähnlich lautender Gespräche auf einem Zentralspeicher abgelegt waren. Ebenso verfuhr der Rechner mit der Nummer des Angerufenen.
Letztlich sprach die Frau mit einem Bekannten über den anstehenden Geschäftsflug nach New York und erkundigte sich, ob es gefährlich war, dem Zollbeamten das eingeführte Geschenk für den Geschäftspartner zu verschweigen.
Der Amerikaner wechselte den Kanal an seiner Steuereinheit.
»Wolf one coming. Target sector b5, moving c6. Check.«
Ein schwarzer Chrysler Voyager mit verdunkelten Scheiben setzte sich auf der oberen Juliuspromenade in Gang. Im Inneren des Fahrzeuges saß ein Mann, umgeben von Monitoren, die einen Stadtplan, verschiedene Videobilder von Straßenzügen und das Satellitenbild mit der roten Zielmarkierung zeigten. Das Signal bewegte sich in den engen Korridoren des Stadtplanes auf den Marktplatz zu. Videobilder wurden aus unterschiedlichen Perspektiven am Marktplatz eingespielt. Der Mann gab dem Fahrer Anweisung, in welche Richtung er zu fahren hatte. Noch vor der Marienkirche stimmte die rote Zielmarkierung mit dem Standort des Fahrzeuges überein. Sie blinkte mehrfach auf und gab ein gleichtönendes akustisches Signal von sich. Der Voyager fuhr im Schritttempo an einer Frau vorbei, die mit ihrem Handy am Ohr auf den Marktplatz zuging.
»Wolf Leader coming. Target hit«, sprach er ins Mikro und wendete den Wagen.
*
Der zweite Tag des EU-Sicherheitstreffens war den Militärs vorbehalten. Die Zeremonie vor dem Congress Centrum glich dem Vorangegangenen, nur mit dem Unterschied, dass die Polizeikräfte durch Bundeswehrkräfte aus den umliegenden Kasernen verstärkt worden waren. Gepanzerte Fahrzeuge riegelten die Zufahrt über den Röntgenring ab, und schwer bewaffnete Einsatzkommandos schlossen die Bannmeile zur Stadt hin hermetisch ab. Wuchtig und dumpf pressten die Rotorblätter der kreisenden Hubschrauber die Lufthülle um das Congress Centrum zusammen. Fenster bebten, Sträucher und Bäume bogen sich unter dem Druck, und der Lärm überlagerte die Sirenen heranfahrender Polizei- und Militärfahrzeuge, die in der Tiefgarage verschwanden.
Die Presse hatte an diesem Tag keinen Zutritt zu den Tagungsräumen. Sie versammelte sich in der angrenzenden Hotellobby und wartete auf den Pressesprecher des Sicherheitspolitischen Komitees, der eine Erklärung über Ziele und Aufgaben einer gemeinsamen Sicherheitspolitik abgeben sollte. Ein Raum war bestellt, in dem Kameras und Mikrophone für die Pressekonferenz aufgebaut waren. Heinlein und seine Kollegen hatten alle Hände voll zu tun, die Journalisten in Schach zu halten, sodass keiner in die Nähe des Durchgangs zum Congress Centrum kam oder in den oberen Hotelbereich vordrang. Schröder wieselte aufgeregt zwischen den Presseleuten und seinen Sicherheitsbeamten umher. Er stand sichtlich unter Hochspannung und
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