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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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über die Burgmauern, und in den Weinbergen kurvten Einsatzwagen.
    Kilian stand auf und zog sich an. Wenn er schon nicht schlafen konnte, dann wollte er sich zumindest bei einem Spaziergang entspannen. Er überquerte die Straße auf Höhe des Biergartens am Alten Kranen und stieg die Stufen zur Promenade hinunter. Die Ausflugsboote lagen noch festgezurrt am Kai. Die Bundeswehrsoldaten waren abgerückt, und die Promenade füllte sich allmählich wieder mit Spaziergängern. Kilian schlenderte am Ufer entlang, in Richtung Alte Mainbrücke. Doch er kam nicht weit. Sein Kopf schmerzte, und er suchte eine Bank, auf der er sich ein wenig ausruhen konnte. Der Lärm des Verkehrs und der Stadt ging hier über ihn hinweg. Eine Frau setzte sich neben ihn. Sie sah erschöpft aus und hielt ein Foto in der Hand, das sie sehnsüchtig betrachtete. Tränen rollten ihr über die Wangen.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Kilian.
    Julia blickte zu ihm herüber, zwang sich zu einem dankbaren Lächeln und verneinte.
    »Ich bin nur ein wenig erschöpft«, sagte sie und wischte sich die Tränen mit dem Ärmel aus dem Gesicht. »Es geht gleich wieder. Danke.«
    Kilian nickte verständnisvoll. Er sah auf dem Foto, das sie in der Hand hielt, einen Mann, der ihm nicht unbekannt vorkam. Er
    lehnte sich verstohlen hinüber, als wollte er sich am Rücken kratzen, und erkannte John Frankenheimer. Er sah auf dem Bild bedeutend jünger aus als heute. Die Haare länger und das Gesicht voller. Aber es war zweifelsfrei Frankenheimer.
    »Entschuldigen Sie bitte«, setzte Kilian an, »der Mann auf dem Bild, woher kennen Sie ihn?«
    »Das ist jemand, den ich vor langer Zeit gekannt habe«, antwortete Julia. »Ich glaubte, dass er noch lebt, und habe mich auf die Suche nach ihm gemacht. Aber offensichtlich habe ich mir das nur eingebildet. Wissen Sie, wenn die Zeit vergeht und man sich etwas ganz arg wünscht, glaubt man eines Tages wirklich daran. Selbst wenn es nicht sein kann.«
    »Darf ich das Bild einmal sehen?«
    Julia reichte es Kilian. Er sah sich den Mann genauer an. Kein Zweifel. Es war Frankenheimer. »Wann wurde diese Aufnahme gemacht?«
    »Das ist lange her. Vor über zehn Jahren. Damals war ich glücklich. Das letzte Mal«, antwortete sie.
    »Und wieso suchen Sie ihn?«
    »Wie gesagt, ich habe mich getäuscht. Bent ist schon lange tot.«
    »Bent?«
    »Ja, Bent Sørensen. Er und ich waren ein Paar, bis …«
    Julia stockte und schaute auf den Main. Erneut begann sie zu weinen.
    »Bis?«, fragte Kilian schamlos nach.
    Julia schluckte und suchte sich zu beruhigen.
    »Es war alles meine Schuld. Wegen mir ist er gestorben. Meine Schuld, verstehen Sie?«
Dänemark, 1987. An der Küste.
    »Wir haben das jetzt schon tausendmal durchgekaut. Ich kann es nicht mehr hören. Er hat mich in der Hand. Verstehst du das nicht?«, schrie Bent Julia an.
    »Womit?! Sag mir endlich, womit er dich erpresst?!«, wollte sie wissen.
    Bent schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das kann ich nicht. Es würde dich in Gefahr bringen. Verstehst du das nicht?! Ich will dich nur schützen.«
    »Wovor? Die einzige Gefahr, in der ich stecke, ist die, dass ich für euch Akten aus dem Amt schaffe. Und ich will nicht ewig so weiter machen. Versteh du das endlich.«
    »Es ist bald zu Ende. Glaub mir.«
    »Das sagst du mir schon seit zwei Jahren. Nichts hat sich seitdem verändert. Ich will ihn kennen lernen und die Sache beenden.«
    »Bist du verrückt?! Er ist gefährlich, und er wird dir schaden, wenn er weiß, dass du ihn verraten kannst.«
    »Das werde ich auch, wenn es so weitergeht.«
    »Nichts wirst du! Verstehst du? Nichts. Ansonsten …«
    »Drohst du mir?«
    Bent beruhigte sich, kam näher und nahm sie in den Arm.
    »Zwing mich nicht«, sagte er ruhig. »Ich kann mich nicht entscheiden. Es ist bald vorbei. Vertrau mir einfach.«
    Julia hielt still. Sie wagte es nicht, alles auf eine Karte zu setzen und ihn vor die Entscheidung zu stellen. Sie umarmte und küsste ihn.
    »Ich will dich nicht verlieren. Du bist die Liebe meines Lebens. Egal, was passieren wird«, sagte sie.
    Bent lächelte sie an, nahm das Bündel Kopien vom Tisch und machte sich auf den Weg. Julia ging ans Fenster und sah ihm nach. Er ging den schmalen Holzsteg über die Dünen ins Dorf hinunter. Als er über den Buckel verschwunden war, lief sie ihm nach. Unten im Hafen, im alten Café, sah sie Stahl, den Mann aus dem Zugabteil im Kölner Bahnhof und Bent am Tisch sitzen. Sie feixten, machten Späße, und

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