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Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall

Titel: Wolfs Brut: Kommissar Kilians zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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dass er ihn hier oben nicht sehen würde.
    »Komm raus«, sagte Otter. »Ich weiß, dass du da bist.«.
    Otter schien sich seiner Sache jedoch nicht sicher, denn er schaute sich suchend im Raum um. Dann blickte er nach oben, in den finsteren Dachstuhl.
    *
    Der Tross der Gefangenen machte vor dem Echter Tor Halt. An die fünfzig Gestalten, mit einer Eisenkette aneinander gefesselt, schlurften hinter dem bayerischen Offizier, der hoch zu Pferd vorneweg ritt, her. Sie waren zerlumpt, geschunden und geschlagen, ihre Gesichter von Pulverdampf geschwärzt, und ihr Schicksal lag in den Händen des neuen Burgherren König Ludwig II. von Bayern.
    »Sie waren der jämmerliche Rest der einst so stolzen französischen Besatzermacht auf der Festung Marienberg. Wenige Tage zuvor war ihr oberster Heerführer Napoleon Bonaparte in der Völkerschlacht bei Leipzig vernichtend geschlagen worden. Ein bayerisch-österreichisches Heer war von Ansbach gegen Würzburg vormarschiert und hatte die Burg, nach zweitägiger Belagerung und Beschießung, unter dem Kommando von General von Wrede, im Sturm erobert.«
    So wollte es das Drehbuch, nicht die Historie. Die Geschichtsschreibung erzählte zwar von einer Belagerung durch die Bayern und Österreicher, nicht aber von einer Einnahme der Festung. Die französischen Truppen hatten im Gegenteil den Beschuss und die Belagerung über den Winter 1813 bis in das Frühjahr hinein überstanden. Nur der Übergabebefehl aus Paris veranlasste den Kommandanten General Turreau, nach der Absetzung Napoleons und nach der Ausrufung des Ersten Pariser Friedens, den Rückzug anzuordnen. Für das hier und heute stattfindende Spektakel im Auftrag Roibers blieb diese Geschichtsverfälschung mit dem unzeitgemäßen Auftritt König Ludwigs nicht ohne Brisanz und Folgen.
    »Wir sind die Laienspieltruppe«, sagte Renate zum Sicherheitsbeamten, der der Zeit gemäß gekleidet war und in bayerischer Polizeiuniform am Echter Tor Wache stand.
    »Gehören die alle zu ihnen?«, fragte er überrascht und zeigte auf die Horde verwahrloster Gefangener.
    An deren Ende befand sich zudem ein überdachter Karren, der von zwei Ochsen gezogen wurde. Auf dem Bock saß Heinlein, mit falschem Schnurrbart und Kappe als Bauer verkleidet.
    »Ja, alle und der Verpflegungskarren da hinten«, antwortete Renate.
    »Die müssen erst nach Waffen untersucht werden«, ordnete er an und rief nach einem Kollegen zur Unterstützung.
    »Nach Waffen?«, maulte Renate brüskiert. »Der Sturm auf die Festung fängt gleich an, und der will uns nach Waffen durchsuchen.«
    »Keine Ausnahmen«, erwiderte er und begann Renate abzutasten.
    »Finger weg«, giftete sie ihn an und schritt zurück. Theatralisch warf sie sich in Positur und zitierte aus einem Bühnenstück. »Keine Männerhand soll mich berühren, verführen und betrügen. Ist’s der Mann, der uns Weibervolk ins ungewisse Schicksal treibt, der Bock hinter der Fratze, der süß raspelt, uns die Sinn vernebelt, vergessen macht, wovor die Alten uns warnten, die Röck uns hebend und aufs Kreuz geworfen, der Lust und Geilheit nur in Sekunden mag uns schenken, dass nicht freudloser hätt sein können …«
    »Halt’s Maul, Weib«, befahl der Wachmann. »Sonst vergess ich mich.«
    »Bah, könnt vergessen und ungescheh’n euer schamlos Trieb mich machen? Aufgeblasen ist der Bauch im Handumdrehen, doch …«
    »Klappe!«
    »Na gut«, sagte Renate und gab sich der Körperkontrolle hin.
    »Nach was suchen Sie denn, Soldat?«
    »Schnauze«, wiederholte er und beendete die unangenehme Tätigkeit.
    »Stehe Ihnen jederzeit wieder zur Verfügung.«
    »Los, weitergehen. Der Nächste.«
    Während der Beamte und seine Kollegen die angeketteten Gefangenen nach Waffen durchsuchten, näherte sich Julia im Mantel und mit dem Koffer in der Hand dem Burgtor. Sie stellte sich in der Reihe an.
    Weiter hinten am Verpflegungswagen wurde Heinlein nervös.
    »Die durchsuchen jeden Einzelnen nach Waffen. Ich hab’s doch gewusst. Das schaffen wir nie«, flüsterte er auf die Ladefläche.
    Dahinter waren Heinz-Günther und Erich unter Töpfen, Pfannen, Geschirr und Mehlsäcken versteckt.
    »Lass dir was einfallen«, rief Heinz-Günther nach vorn.
    »Wieso haben wir dich denn eigentlich mitgenommen?«
    »Komm halt nach vorne, du Großmaul. Und mach’s selber«, schimpfte Heinlein.
    »Jetzt gebt’s endlich Frieden«, schlichtete Erich, der, zwischen Mehlsäcken eingeklemmt, kräftig schwitzte. Er trug das Panzerhemd eines

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