Wolfsangriffe. Fakt oder Fiktion? (German Edition)
leiden ein Leben lang, da ihre Lebensbedingungen auch nicht im Entferntesten an ein artgerechtes Umfeld herankommen.
Genetisch sind Hunde auf ein Zusammenleben mit Menschen geprägt, Hybriden nicht. Ihr Verhalten ist nicht berechenbar oder vorhersehbar. Das äußere Erscheinungsbild hat damit nichts zu tun. Hybriden, die wie Hunde aussehen, müssen sich nicht so verhalten. Werden Wölfe in Haushundepopulationen eingekreuzt, erhalten wir Kaniden mit einem Verhalten, das sich weder in freier Wildbahn in Anpassung an die dortigen Begebenheiten bewährt und daher durchgesetzt hat, noch durch verantwortungsvolle Zuchtauslese gewachsen ist. Die Biologin Dorit Feddersen-Petersen, die am Institut für Haustierkunde in Kiel selbst jahrelang Pudel-Wolf-Mischlinge (Puwos) erforscht hat, bringt es auf den Punkt: »Hybridenzucht ist ethisch nicht vertretbar und bedeutet einen derben Rückschritt für jede Haushundezucht.«
Wie gefährlich sind Wolfshybriden?
Da wie bereits erwähnt, das Verhalten von Hybriden weder am äußeren Erscheinungsbild noch am genetischen Erbe auch nur halbwegs vorhersehbar ist, lässt sich auch keine Prognose stellen, wie ein individuelles Tier auf eine bestimmte Situation reagiert. Einige Verhaltensweisen sind jedoch typisch für die Wolfsmischlinge:
Scheu
Hybriden haben eine ausgeprägte Scheu vor allem Unbekannten, was sie unter extremen Stress setzt. Wildtiere müssen vorsichtig sein, um rechtzeitig auf Gefahren zu reagieren oder sie zu meiden. Sie haben eine angeborene Fluchtdistanz. Diese wird durch den Prozess der Sozialisation herausgezüchtet. Hunde sind also dem Menschen gegenüber deutlich weniger scheu als Wölfe. Das Verhalten der von Feddersen-Petersen gezüchteten Puwos hatte eine riesige Variabilität: Mit einigen konnten die Forscher spielen, andere ließen sich gerade noch streicheln und wieder andere ließen niemanden an sich heran.
Mangelnde Bindung zum Menschen / Trennungsangst
Um Vertrauen in den Menschen zu entwickel und ein normales soziales Leben mit ihm zu führen, ist Sozialisation notwendig. Diese ist domestikationsbedingt. Einzelne Hybriden können schnell sozialisierbar sein, aber ebenso schnell wieder umschlagen.
Aufgrund einer unsicheren Bindung zu ihrem Menschen leiden besonders viele junge Hybriden unter starken Trennungsängsten, was sich in Zerstörungswut und anderem problematischen Verhalten ausdrücken kann.
Territorialität
Hier beginnt es, für den Menschen (und andere Hunde) problematisch zu werden. Hybriden sind wesentlich territorialer als unsere Haushunde und greifen schneller Rudelfremde an – auch außerhalb ihres heimatlichen Reviers. Ihr evolutionsbedingtes Verhalten sieht das Leben in einer Gruppe vor, Außenstehende werden angegriffen. Dies gilt besonders für fremde Hunde, die auch getötet werden können.
Sozialverhalten / Rangordnung
Die meisten Hybriden ordnen sich Menschen nicht dauerhaft unter. Ihre Ausdrucksformen sind anders als die von Hunden. Menschen, die sich nicht im Verhalten von Wölfen gut auskennen, sind hier völlig überfordert, weil sie vom Verhalten eines Hundes ausgehen und entsprechend reagieren.
Richtig gefährlich wird es mit der Geschlechtsreife der Tiere (im Alter von zwei bis drei Jahren). Dann können sie Menschen gegenüber sehr aggressiv werden. Von 1982 bis 2010 wurden in den USA 19 Menschen von Hybriden getötet und 82 verletzt, die meisten davon Kinder. Damit steht der Hybride an vierter Stelle in der Beißstatistik nach Pitbull, Rottweiler und Husky. (In Deutschland gibt es keine Statistik, da die Haltung von Wolfsmischlingen wegen der besonderen Haltungsbedingungen meist im Untergrund beziehungsweise in der Illegalität stattfindet.)
Immer wieder berichten Hybridenhalter, dass sie nach der Geschlechtsreife von ihren Tieren aggressiv »herausgefordert« wurden. Besonders problematisch wird es, wenn Kinder im Haushalt sind. Die meisten tödlichen Beißunfälle geschehen bei Kleinkindern, die durch Schreien, Hinfallen und unkontrollierte Bewegungen den »Beutereflex« des Hybriden ausgelöst haben. Sie bewegten sich wie verletzte Beutetiere.
Die Geschichte der schweren und tödlichen Angriffe von Hybriden auf Kindern begann in den USA 1981 in Michigan, als der zweijährige Eric Turner als erstes Kind von einem Wolfsmischling getötet wurde. Das an einer Kette gehaltene Tier spielte mit Eric, dem Sohn von Freunden des Besitzers. Die Mutter hatte keine Bedenken. Die beiden hatten schon
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