Wolfsblues
fernerhin in der Lage, einen Wolf von der Wandlung abzuhalten. Diese Begabung konnte überaus nützlich sein bei Wölfen, die sich nicht verwandeln durften, weil sie verletzt oder schwanger waren. Enya bekam es gut alleine hin. Nichts lag mir ferner, als an ihr zu experimentieren. Ich wollte sie und ihren Welpen unter keinen Umständen in Gefahr bringen. Chris’ Wolf in Zaum zu halten gelang mir recht gut. Ihn fuchste es gewaltig, dass er sich nach wie vor nicht wandeln durfte. Es verärgerte ihn beinah so sehr wie die Tatsache, dass er nicht zu seinem Rudel zurückkehren durfte.
»Black Feather ist der Meinung, dass mir nichts passieren wird, sofern du für Ruhe sorgst.« Chris knabberte an meinem Hals und leckte kurz über sein Zeichen. Ein Bissmal, das er mir verpasst hatte. Nicht das Erste, um ehrlich zu sein. Es war ausgesprochen sinnlich und am liebsten hätte ich unser Liebesspiel weitergeführt. So ungemein es mir gegen den Strich ging, ich musste zuerst für klare Fronten sorgen. Ich brachte ein wenig Abstand zwischen uns. Sobald wir uns so nahe kamen, fiel es mir schwer, auch nur einen schlüssigen Gedanken zu fassen. Mein Tier wurde zu dominant und versuchte die Führung an sich zu reißen.
Ich teilte Black Feathers optimistische Einschätzung keineswegs. Vermutlich schaffte ich es, Ruhe ins Rudel zu bringen. Doch ich bezweifelte, dass ich die, die von Anfang an gegen mich waren, positiv beeinflussen konnte. Meine Verbindung zum Rudel war andersartig. Unsere Strukturen arbeiteten nebeneinander. Die Vernetzungen zur Wolfsgruppe erschienen eigenständig und dennoch agierten sie miteinander im Gleichklang. Bei mir existierten keine Ränge. Bei Chris waren sämtliche Wölfe in ein festes Gerüst eingebunden. Mein Netz – dieser Begriff umschrieb es noch am ehesten – funktionierte vielmehr auf einer emotionalen Ebene. Jeder, der mit mir verbandelt war, gehörte dazu. Aaron besaß in Chris’ Ranking einen Rang knapp über einem Unterwürfigen, weil er neu im Pack war. Doch keiner würde ihn herausdrängen können, festigte seine Bindung zu mir, seine Position. Wer erst mal drinnen war im Rudel, konnte nicht mehr rausgeekelt werden durch Antipathie. Chris, als Alpha, durfte nach wie vor Wölfe verstoßen und ich gleichermaßen. Chris war allerdings eine so gute Seele, dass er sogar an dem Problemwolf Tyler festhielt. Tyler tat sich entsetzlich schwer mit Autoritäten. Er war in seinem rumänischen Rudel der Prügelknabe gewesen und wurde letzten Endes ausgestoßen. Bevor Chris ihn aufnahm, tingelte er rudellos umher. Tyler war gleichwohl ein geprügelter Wolf wie ich. Nur, dass er nicht den Schwanz einzog, sondern in die Offensive ging. Deswegen war ich ein rotes Tuch für ihn. Er empfand kein Mitleid. Nicht mit mir und nicht mit Chris. Mit niemandem! Wieso auch? Ihm wurde niemals Mitgefühl entgegengebracht. Möglicherweise war es an der Zeit, dass ich ihm klar zu verstehen gab, dass die Schonfrist vorbei war - für uns beide! Ich musste den geprügelten Hund ablegen und Tyler durfte sich nicht mehr, wie ein Idiot aufführen, um jeden von sich fernzuhalten.
»Ich bin einverstanden«, gab ich Chris’ Drängen nach. Ich drehte mich in seiner Umarmung zu ihm herum und küsste ihn auf den Mund. »Bis auf das Bein bist du wieder auf der Höhe. Wenn du noch länger dem Rudel fernbleibst, verlierst du in gleichem Maße an Autorität. Es könnte dir gänzlich entgleiten. Fraglos herrscht dort bereits Anarchie!«
»Mit Sicherheit! Wobei …« Er schnalzte mit der Zunge. »Unterschätze Corwin nicht. Er hat mehr Arsch in der Hose, als du vermutest. Auch wenn sie ihm ganz gewiss beträchtlich am Nervenkostüm zerren. Corwin ist tough!«
»Und wie alt ist er? 19?« Es mochte sein, dass Corwin tough wirkte, doch er war obendrein blutjung.
»20, seit zwei Wochen und er hat Alisha. Megan, die beiden bekleiden aus gutem Grund den Rang nach Abby und Enya.«
Ich fand es mühselig, mich mit starren Rudelstrukturen zu arrangieren.
»Corwin ist dominanter als Tyler. Ty hat einfach nur ne große Klappe und nen Sockenschuss!«, kicherte Chris und erwiderte meinen Kuss drängend. »Mir geht es wirklich besser! Das mit dem Bein kann ich nicht ändern. Die Mehrheit des Rudels weiß fernerhin um meine Schwachstelle.« Er strich sich nachdenklich über die Stirn. »Ich habe ich mir bereits früher von ihrer Kraft geliehen. Jeder weiß es, Megan und zweifellos ahnen sie, dass da was im Gange ist. Bei aller Freiheitsliebe, ein
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