Wolfsblues
was mir widerfahren ist. Doch das kann ich nicht, also muss ich damit leben. Du hast vergessen und versuchst krampfhaft dich zu erinnern, Leon. Hast du jemals in Betracht gezogen, dass dein Geist dies aus einem guten Grund getan hat? Manche Dinge, die verborgen sind, sollten einfach besser verborgen bleiben. Wenn du das akzeptierst, erst dann kannst du Frieden finden.«
Endlich sah er mich an. Ängstlich und voll Furcht, aber er sah mich wenigstens an.
»Ich will dich einfach nicht verlieren, Leon. Du bist Rudel und du bist mein Freund. Ich habe dich lieb.« Das Geständnis kam mir leicht über die Lippen. Es entsprach der Wahrheit. Ich liebte ihn wie einen Bruder, wie ich auch Enya liebte oder Abby. Ja, sogar Ty mochte ich inzwischen und Corwin und Alisha. Ich liebte mein Rudel und Leon gehörte einfach dazu. »Kannst du mir helfen?« Leons Stimme klang schwach, richtig kläglich.
»Ja. Ich werde dir zur Seite stehen. Wie Enya. Doch du lässt sie nicht an dich ran. Ihr geht es nicht gut und sie muss sich obendrein noch Sorgen um dich machen. Du hast dich vom Rudel entfernt. Das bemerkt ihr Wolf. Es belastet sie ungemein, inzwischen sogar körperlich. Deine schwangere Frau kotzt sich in diesem Moment die Seele aus dem Leib.« Das fruchtete. Leon schwang sich hurtig aus dem Bett. Nur in Boxershorts bekleidet, präsentierte er seinen trainierten Oberkörper mit Sixpack.
Enya saß auf der Couch. Sie wirkte noch grüner im Gesicht als vor der Standpauke an Leon. Mit zitternden Händen hielt sie ein Glas Wasser und nahm einen Schluck, den sie prompt wieder ausspie. »Mir geht es beschissen«, jammerte sie. Wenn ein Wolf so viel Schwäche preisgab, dann ging es ihm wahrhaftig schlecht.
Leon hatte sein Handy bereits geschnappt, um Abby anzurufen.
»Wir brauchen Prajit Singh«, sagte ich und reichte ihm die Visitenkarte des indischen Mediziners. »Jetzt! Mit ner Hebamme ist es nicht getan. Enya benötigt einen Arzt!«
Ich wusste absolut nicht, ob Werwölfe eine Schwangerschaftsvergiftung entwickeln konnten. Doch Enya zeigte die klassischen Anzeichen einer Präeklampsie und das war verdammt übel!
Kapitel 18
Mondeiche
Ich hatte meine Fingernägel bis auf die Kuppen runtergekaut, so angespannt, wie ich war. Die Zeit des Wartens macht mich kirre! Neben Chris und mir hatten sich ebenso Corwin, Alisha und Tyler eingefunden, um dem werdenden Vater beizustehen. Abby assistierte Prajit, der das Baby sofort auf die Welt holen musste. Enyas Allgemeinzustand hatte sich erheblich verschlimmert. Die Herztöne des Babys wurden mit jeder Minute schlechter. Kindsbewegungen waren kaum noch vorhanden. Es bestand akute Lebensgefahr für Mutter UND Baby.
»Ich wollte sie zur Frau nehmen. Noch vor der Geburt«, stammelte Leon. Er knabberte angespannt an seiner Unterlippe. »Das Rudel muss das Kind nicht anerkennen, falls …«
»Die werden sich hüten!«, fuhr Chris ihm über den Mund. »Das ist momentan auch keineswegs von Bedeutung. Die beiden sollen lediglich gesund sein. Um den Rest kümmern wir uns im Anschluss.« Mein Wolf verging vor Sorge um seine Ziehschwester.
»Es ist ein Mädchen«, gab Leon preis. Enya und er hatten sich bislang darüber ausgeschwiegen.
Ich hatte es bereits geahnt, gehörte das winzige Wesen längst zu meinem Netzwerk. Selbst im Moment spürte ich sie, unverändert, wie auch Enya.
»Wie soll die Kleine heißen? Habt ihr lange einen Namen?«, hakte Alisha neugierig nach.
»Louna, ein französischer Name. Eine Abwandlung von Luna. Enya bestand auf diesen Namen. Wir einigten uns auf diese Variante. Damit waren wir beide zufrieden.« Zu Reden lenkte Leon ab. Also hakte ich weiter nach.
»Nur einen Namen?«
»Bei Enya?« Leon kicherte leise. »Nein, Louna Willow. Enyas Großmutter hieß Willow . Mond Eiche …«
»Es sind zwei wunderschöne Namen, die ihr ausgesucht habt«, tönte Abby zufrieden. Sie hielt ein winziges, in Decken geschlagenes Bündel, in ihren Armen. »Für meine Enkeltochter.« Eine Träne rollte über die Wange der toughen Frau. »Willst du mir deine Tochter nicht abnehmen, Schwiegersohn?«
»Enya?« Leon nahm ihr die Kleine vorsichtig aus den Armen, hatte er Angst, etwas falsch zu machen.
»Wird wieder. Doch es war allerletzte Eisenbahn. Prajit näht den Schnitt. Danach kannst du zu ihr.« Trotz der scheinbar guten Nachrichten wirkte Abby bedrückt. »Auf ein Wort, Leon.« Sie nahm ihn am Arm, zog ich beiseite und redete ruhig auf ihn ein.
»Megan? Würdest du mir die Kleine
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