Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
zufrieden lassen mußten. Aber wenn er nicht auf Befehl stehenblieb, dann durften sie auf ihn losstürzen, um ihm den Garaus zu machen, wenn sie es konnten. Nach mehreren solchen Erfahrungen blieb Wolfsblut nie mehr ohne Befehl stehen. Er lernte schnell, denn es lag in der Natur der Dinge, daß er es mußte, sollte er unter den ungewöhnlich schweren Lebensbedingungen, die ihm geworden waren, am Leben bleiben.
    Allein, die Hunde lernten es nie, ihn im Lager zufriedenzulassen. An jedem Tage, wenn sie ihn wütend angriffen und verfolgten, war die Lektion des vorhergehenden vergessen und wurde von neuem gelernt, um sogleich wieder vergessen zu werden. Auch waren für ihre Abneigung gegen ihn noch tiefere Gründe vorhanden. Sie witterten in ihm eine Verschiedenartigkeit, was an und für sich schon ein hinreichender Grund zur Feindschaft ist. Wie er waren sie gezähmte Wölfe, aber sie waren das schon seit vielen Generationen gewesen. Vieles, was aus der Wildnis stammte, hatte sich bei ihnen verloren, so daß die Wildnis für sie das Unbekannte und Schreckliche, das Drohende und Feindselige war.
    Aber an ihm klebte das noch in der Erscheinung und in seinem Tun und Treiben. Er war die Verkörperung der Wildnis, so daß, wenn sie ihm die Zähne wiesen, sie sich gegen die Mächte der Zerstörung verteidigten, die im Schatten der Wälder und hinter den Lagerfeuern im Dunkel lauerten. Eines aber lernten die Hunde bald, nämlich, daß sie zusammenhalten müßten. Für den einzelnen war Wolfsblut ein zu schrecklicher Gegner. Sie traten ihm nur in Haufen gegenüber, sonst hätte er sie einzeln in einer Nacht umgebracht. So aber konnte er ihnen nicht beikommen. Er mochte wohl einen umwerfen, aber dann stürzten die andern über ihn her, bevor er den tödlichen Biß versetzen konnte. Beim ersten Anzeichen eines Zusammenstoßes liefen gleich alle herbei und boten ihm Trotz. Zwar zankten die Hunde unter sich auch, aber alles war vergessen, sobald es sich um einen Streit mit Wolfsblut handelte.
    Anderseits konnten jedoch sie ihm nichts anhaben. Er war zu flink, zu stark, zu klug für sie. Er kam in keine Klemme und verhinderte es, daß sie ihn ringsum einschlossen. Auch gelang es keinem Hunde, ihn niederzuwerfen. Seine Füße stemmten sich mit derselben Zähigkeit gegen die Erde, mit der er sich ans Leben festklammerte. Auf den Füßen bleiben und leben, das war in dem ewigen Kampf mit den andern von gleicher Bedeutung für ihn, und niemand wußte das besser als er.
    So wurde er der Feind seiner Gattung, der gezähmten Wölfe, die bei den Feuerstätten der Menschen einen Teil ihrer Wildheit abgelegt hatten und unter ihrem Schutz verweichlicht waren. Wolfsblut war verbittert und unversöhnlich, das war die Form, die der Lehm, aus dem er geknetet war, angenommen hatte, und er hatte allen Hunden den Krieg bis aufs Messer erklärt und führte das so schrecklich aus, daß selbst der Graue Biber, der doch auch nur ein Wilder war, über seine Wildheit sich verwunderte. Nie, beteuerte er fluchend, hätte es vordem einen solchen Hund gegeben, und die Indianer in den fremden Dörfern fluchten auch, wenn sie die Zahl seiner Opfer unter ihren Hunden zusammenzählten.
    Als Wolfsblut fast fünf Jahre alt war, nahm ihn der Graue Biber abermals auf eine weite Fahrt mit, und lange erinnerte man sich der Metzeleien, die er unter den Hunden in den zahlreichen Dörfern am Mackenzie, im Felsengebirge, am Porcupinefluß und bis zum Yukon hin angerichtet hatte. Es war ihm eine Wollust, sich an gewöhnlichen, harmlosen Hunden zu rächen. Sie waren auf seine Behendigkeit und Raschheit, auf einen Angriff ohne Warnung nicht gefaßt. Sie gingen mit gesträubtem Haar und steifen Beinen ihm entgegen und forderten ihn heraus, während er mit solchem Brimborium keine Zeit verlor, sondern wie eine Sprungfeder losschnellte, sie am Halse packte und umbrachte, bevor sie sich von ihrer Überraschung erholt hatten.
    Er wurde ein echter Preiskämpfer, er verschwendete seine Kraft nie und balgte sich nie. Rasch im Angriff – und verfehlte er den, ebenso rasch im Rückzug –, besaß er in hohem Grade die Abneigung des Wolfes, Leib an Leib zu kämpfen. Er konnte eine längere Berührung seines Körpers mit einem andern nicht ertragen; das machte ihn toll. Er mußte frei dastehen, auf den eigenen Füßen, ohne daß ein lebendes Wesen ihn berührte. Das war noch die Wildnis, die sich in ihm behauptete, und dies Gefühl war durch das Leben, das er in der Jugend als

Weitere Kostenlose Bücher