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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Ausgestoßener geführt hatte, noch verstärkt worden. In der Berührung lauerte Gefahr; sie war eine Falle, und die Furcht davor war seinem Wesen eingeimpft. Die Folge war, daß fremde Hunde ihm nichts anhaben konnten. Er wich ihren Zähnen aus. Er besiegte sie oder machte sich aus dem Staube und blieb in jedem Falle unverletzt. Natürlich kam es auch vor, daß mehrere Hunde zusammen über ihn herfielen, bevor er weglaufen konnte, oder daß ein einzelner ihm tiefe Wunden beibrachte, allein das war eine Ausnahme. In der Regel war er so geschickt, daß er unverletzt davonkam.
    Er besaß den großen Vorteil, Zeit und Entfernung richtig abzumessen. Das geschah unbewußt und ganz mechanisch. Seine Augen sahen richtig, und seine Nerven vermittelten das Gesehene ebenso richtig dem Gehirn. All seine Anlagen waren feiner und besser als die des gewöhnlichen Hundes; alles ging glatter und ruhiger bei ihm vonstatten. Nerven, Hirn und Muskeln arbeiteten besser zusammen. Wenn die Augen dem Gehirn das Bild einer Handlung überbrachten, so wußte dieses ohne bewußte Anstrengung, welcher Zeitraum zu deren Vollendung erforderlich wäre. So konnte er den Sprung oder den Biß eines Hundes vermeiden und zugleich die unendlich kleine Spanne Zeit sich ausersehen, in der er selber angreifen konnte. Körper und Gehirn waren bei ihm ein vollkommener Mechanismus. Nicht, daß ihm dafür Lob gebührt, aber die Natur war ihm gegenüber freigebiger als gegen die andern gewesen.
    Es war Sommer, als Wolfsblut in Fort Yukon ankam. Der Graue Biber hatte im Winter vorher die große Wasserscheide zwischen dem Mackenzie und dem Yukon überschritten und den Frühling über in den Ausläufern des Felsengebirges gejagt. Dann hatte er, als das Eis geschmolzen war, ein Boot gebaut und war den Porcupinefluß hinabgerudert bis dahin, wo sich dieser gerade unter dem Polarkreise mit dem Yukon vereinigt. Hier stand das alte Fort der Hudsonbai-Gesellschaft, und hier hatten sich viele Indianer versammelt, es gab eine Menge Nahrungsmittel, und es herrschte eine ungeheure Aufregung. Es war der Sommer des Jahres 1898, und Tausende von Goldsuchern zogen den Yukon hinauf nach Dawson und Klondike. Sie waren noch Hunderte von Meilen von ihrem Ziel entfernt, dennoch waren viele schon ein Jahr lang unterwegs gewesen, und die meisten hatten bereits fünftausend englische Meilen zurückgelegt und waren von der andern Seite der Welt gekommen.
    Hier machte der Graue Biber halt. Ein Gerücht von der Jagd nach dem Golde war bis zu seinen Ohren gedrungen, und er hatte viele Ballen Pelze und einen Haufen Handschuhe und Mokassins aus Fellen, die mit Därmen zusammengenäht waren, mitgebracht. Er würde sich nicht auf eine so lange Reise gemacht haben, hätte er nicht reichlichen Gewinn erwartet. Doch seine Erwartungen waren nichts gegen die Wirklichkeit. Selbst in seinen wildesten Träumen hatte er nicht mehr als hundert Prozent Gewinn erhofft, und nun waren es tausend.
    Als ein echter Indianer ließ er sich – und sollte es auch den ganzen Sommer und Winter über dauern – häuslich nieder, um seine Waren bis zum letzten Stück langsam und vorsichtig zu verkaufen.
    In Fort Yukon erblickte Wolfsblut die ersten Weißen. Mit den Indianern verglichen, die er bisher nur gekannt hatte, erschienen sie ihm wie ein Geschlecht höherer Wesen, wie höhere Götter. Er hatte den Eindruck, als besäßen sie größere Macht, und auf Macht beruht alle Gottheit. Wie ihm in der Jugend die hohen, breiten Wigwams als Offenbarungen von der Macht der Menschen erschienen waren, so imponierten ihm jetzt die aus mächtigen Blöcken erbauten Holzhäuser des großen Forts. Ja, hier war Macht, und die Weißen besaßen über die Dinge noch höhere Gewalt als die Menschen, die er bis jetzt gekannt hatte und unter denen der Graue Biber der gewaltigste gewesen war. Doch auch er war ein Kind im Vergleich zu den Bleichgesichtern.
    Nicht, daß sich Wolfsblut dieser Eindrücke klar bewußt gewesen wäre, aber er fühlte sie, und darum traute er diesen höhern Wesen nicht. Man konnte nie wissen, was für Schrecken hinter ihnen lauerten, was für Schmerzen sie austeilen könnten! Allein, er war neugierig und beobachtete sie, wurde jedoch scheu, so oft sie es taten. Anfangs schlich er nur in sicherer Entfernung umher, um sie zu beschauen; als er dann sah, daß andere Hunde ihnen ungestraft nahe kamen, wurde auch er dreister. Er dagegen war für sie ein Gegenstand allgemeiner Neugier. Sein wolfsartiges Äußere fiel

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