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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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schrecklich und grauenhaft im Dunkel um die Feuer im Urwald gelauert hatte, und da viele Generationen dieser Hunde sich um die Feuer der Menschen geschart hatten, war ihr Instinkt umgeformt worden, und sie hatten die Wildnis fürchten gelernt, aus der sie doch herstammten und die sie verlassen und verraten hatten. Seit Jahrhunderten war diese für sie ein Sinnbild des Schreckens geworden, und sie hatten in dieser ganzen langen Zeit von ihren Herren die Freiheit genossen, die Geschöpfe der Wildnis zu töten, und hatten dadurch sich selber und ihre Herren geschützt, deren Gefährten sie geworden waren.
    So trabten diese Hunde aus dem milden, weichen Süden gemächlich das Laufbrett entlang und betraten das Ufer des Yukon, um bei Wolfsbluts Anblick den unwiderstehlichen Trieb zu empfinden, auf ihn loszustürzen und ihn zu vernichten. Mochten sie auch in Städten aufgewachsen sein, so war die Furcht vor der Wildnis doch in ihnen. Denn sie sahen das wolfsähnliche Tier, das da im hellen Tageslicht vor ihnen stand, nicht nur mit den eigenen Augen, sondern auch mit denen ihrer Vorfahren, und erkannten durch ererbte Erinnerungen in ihm den Wolf, den Gegenstand uralter Fehde. Wenn aber Wolfsbluts Anblick die fremden Hunde reizte und sie auf ihn als ihre rechtmäßige Beute blickten, so schaute er sie mit denselben Augen an. Nicht umsonst hatte er das Licht der Welt in einer einsamen Höhle erblickt, hatte er seine ersten Kämpfe mit dem Schneehuhn, dem Wiesel und dem Luchs ausgefochten; nicht umsonst war seine Jugend durch die Verfolgungen der jungen Hunde des Lagers verbittert worden. Wäre Liplip nicht gewesen, so würde er die Jugendzeit spielend mit den Gefährten verbracht haben und wäre mehr als Hund und mit freundlicheren Gesinnungen gegen seinesgleichen aufgewachsen. Hätte andererseits der Graue Biber die Tiefen in Wolfsbluts Natur mit dem Senkblei der Liebe und Zuneigung ergründen wollen, so hätte er allerhand freundliche Eigenschaften an die Oberfläche bringen können. Aber dem war nicht so gewesen. Der Lehm, aus dem Wolfsblut gemacht war, war so geknetet worden, daß er ein mürrisches und einsames, ein unliebenswürdiges und blutdürstiges Geschöpf – kurz, der Feind seiner Gattung wurde.

 
ZWEITES KAPITEL
     
Der tolle Gott
     
    Nur eine kleine Anzahl weißer Leute lebte in Fort Yukon, und sie waren schon seit langer Zeit dort ansässig. Sie nannten sich ›Sauerteig‹ und waren auf diese Bezeichnung stolz. Auf die andern, die mit dem Dampfer kamen, blickten sie herab und bezeichneten sie als ›Chekaquos‹, weil sie ihr Brot mit Hefe zubereiteten, was diese etwas übelnahmen. Und doch war alles nur Neid von Seiten der Sauerteigs, denn sie buken das Brot nur deshalb so, weil sie es nicht besser verstanden.
    Also blickten die Leute im Fort auf die neuen Ankömmlinge herab und freuten sich, wenn es ihnen übel erging. Sie freuten sich besonders über das Unheil, das Wolfsblut und sein Anhang unter den Hunden der Fremden anrichtete. Wenn ein Dampfer ankam, so erschienen die Leute aus dem Fort stets am Ufer, um sich den Spaß anzusehen, und sie freuten sich darauf ebensosehr wie die Indianerhunde und sahen auch bald, wie schlau und mordlustig Wolfsblut sich dabei gebärdete. Vor allem ergötzte sich ein Mann an dem Schauspiel. Beim ersten Pfiff des Dampfers kam er angerannt, und wenn der Kampf vorüber war, so kehrte er langsam und wie bedauernd ins Fort zurück. Manchmal, wenn ein sanfter Hund aus dem Südland niedergeworfen wurde und in Todesnöten schrie, jubelte der Mann laut auf und sprang vor Freude in die Höhe. Immer aber blickte er mit begehrlichen Augen auf Wolfsblut.
    Die Leute im Fort nannten den Mann den Schönen. Man kannte seinen Vornamen nicht, so wurde er in der Gegend allgemein der schöne Schmitt genannt. Allein er war durchaus keine Schönheit. Ganz im Gegenteil! Die Natur hatte ihn stiefmütterlich behandelt. Er war klein, und auf dem hagern Körper saß ein winziger Kopf, der nach oben spitz zulief, so daß er als Knabe bei den Kameraden die ›Stecknadel‹ hieß. Die niedere Stirn war flach, und der Hinterkopf zeigte keine Wölbung. Die Gesichtszüge, als ob die Natur ihre Sparsamkeit bereue, waren verschwenderisch breit, die Augen groß und so weit voneinander entfernt, daß noch ein Paar dazwischen Platz gehabt hätte. Was aber dem Gesicht die größte Breite gab, war der ungeheure Kiefer. So breit und massig sprang dieser vor, daß er für den hageren Hals fast zu schwer

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