Wolfsblut
verborgen blieb er stehen und überschaute die Gegend. Der Anblick, die Töne, die Gerüche waren ihm wohlbekannt. Es war sein altes Dorf, nur an einem andern Platze. Doch war jetzt alles anders als damals, wo er daraus geflohen war. Es gab kein Jammern, kein Wehklagen mehr. Töne behaglicher Zufriedenheit begrüßten sein Ohr. Zwar vernahm er die scheltende Stimme einer Frau, allein dieser Ärger kam aus einem vollen Magen, das wußte er. Auch roch es in der Luft nach Fischen. Es war also wieder Speise da, die Not war vorüber. Wolfsblut kam dreist aus dem Walde heraus und trabte ins Lager gerade auf den Wigwam des Grauen Biber los. Dieser war nicht da, aber Klukutsch begrüßte ihn mit einem Freudenschrei und gab ihm einen ganzen Fisch, und er legte sich nieder, um die Rückkehr des Herrn zu erwarten.
Vierter Teil
ERSTES KAPITEL
Der Feind seiner Gattung
Hätte in Wolfsbluts Natur die entfernteste Möglichkeit gelegen, mit den Genossen freundlich zu verkehren, so wäre diese für immer dadurch zerstört worden, daß er Leithund des Gespanns wurde. Von nun an haßten ihn die Hunde noch mehr, haßten ihn wegen des Fleisches, das Mitsah ihm besonders zuteilte, haßten ihn wegen der wirklichen und eingebildeten Begünstigungen, die er erhielt, am meisten aber, weil er mit wehendem Schwänze und fliehenden Hinterbeinen immer und ewig vor ihren Augen hinlief und sie dadurch bis zum Wahnwitz reizte. Und diesen Haß vergalt er ihnen mit Zinsen. Leithund zu sein war durchaus nicht angenehm. Er war dadurch gezwungen, vor dem kläffenden Haufen herzulaufen, vor diesen Hunden, die er drei Jahre lang beherrscht hatte, und das war fast mehr, als er ertragen konnte. Aber es mußte sein, sonst wäre es sein Tod gewesen, und danach trug er kein Verlangen. In dem Augenblick, da Mitsah das Signal zur Abfahrt gab, sprang das ganze Gespann mit wildem Gekläff hinter ihm drein.
Verteidigen konnte er sich nicht, denn kehrte er sich um, so traf ihn ein schmerzender Peitschenhieb von Mitsah ins Gesicht. Es blieb ihm nichts übrig, als zu laufen. Er konnte mit Schwanz und Hinterbeinen der heulenden Horde nichts anhaben, das wären gegen die vielen unbarmherzigen Zähne kaum die richtigen Waffen gewesen. Also rannte er weiter, indem er bei jedem Satz, den er machte, den ganzen Tag lang seiner Natur und seinem Stolz Gewalt antat.
Allein man kann den Trieben seiner Seele nicht Gewalt antun, ohne daß man sich dagegen auflehnt. Das ist wie ein Haar, das aus dem Körper herauswachsen sollte, aber unnatürlicherweise sich umdreht und hineinwächst und eiternd schmerzt. So erging es auch Wolfsblut. Jeder Trieb seines Wesens drängte ihn, auf die Hunde, die ihm an den Fersen kläfften, loszuspringen, aber der Wille seiner Götter sowie die Peitsche mit der dreißig Fuß langen Leine aus Rentierdarm dahinter ordneten es anders. Daher konnte er sich nur in Bitterkeit verzehren und einen Haß und Groll nähren, der ebenso groß war wie die Wildheit und Unzähmbarkeit seiner Natur.
Wenn je ein Geschöpf der Feind seiner Gattung wurde, so war es Wolfsblut. Er gab keinen Pardon und verlangte auch keinen. Er trug von den Zähnen der andern fortwährend Wunden und Narben davon und vergalt Gleiches mit Gleichem. Ungleich den meisten Leithunden, die, wenn das Gespann abends abgeschirrt wurde, sich an die Menschen um Schutz drängten, verschmähte er diesen. Er schritt dreist im Lager umher und teilte nachts für das, was er am Tage erdulden mußte, Strafe aus. Vorher hatten die andern ihm ausweichen müssen; das war nun anders geworden. Durch die Verfolgung, die die Hunde den ganzen Tag über mit ihm anstellten, erregt, durch den fortwährenden Anblick seiner Flucht vor ihnen unwillkürlich gereizt, durch das Gefühl der Übermacht, das sie tagsüber erfüllte, angestachelt, konnten sie nicht dahin gebracht werden, ihm aus dem Wege zu gehen. Wenn er unter ihnen erschien, so gab es immer Streit. Knurren, Beißen und Grollen folgten seinen Schritten; selbst die Luft, die er atmete, war mit Haß und Groll erfüllt, und dies diente nur dazu, ihn noch mehr zu erbittern.
Wenn Mitsah dem Gespann Halt gebot, so gehorchte Wolfsblut zuerst. Das verursachte anfangs große Aufregung unter den Hunden. Alle wollten auf den verhaßten Leithund losspringen; aber das Blättchen wendete sich, denn hinter ihnen stand Mitsah, und die große Peitsche pfiff in seiner Hand. So lernten die Hunde verstehen, daß sie, wenn das Gespann auf Befehl anhielt, Wolfsblut
Weitere Kostenlose Bücher