Wolfsblut
Augenblick aus, denn Wolfsblut hatte sich beruhigt und knurrte nicht mehr. »Dies ist der Mühe wert, näher untersucht zu werden. Passen Sie einmal auf.« Er griff nach der Büchse, und im selben Augenblick zeigte Wolfsblut die Zähne. Dann trat er von ihr zurück, und sogleich senkten sich die Lippen, und die Zähne verschwanden. »Jetzt, bloß zum Spaß.«
Matt ergriff die Büchse und hob sie langsam zur Schulter empor. Sogleich begann Wolfsblut zu knurren und immer lauter, je länger das Manöver dauerte.
Allein kurz bevor die Büchse schußbereit war, sprang er zur Seite und verschwand hinter der vorspringenden Ecke des Blockhauses. Matt starrte auf den Schnee, wo Wolfsblut soeben gestanden hatte. Dann stellte er feierlich die Büchse weg und blickte seinen Brotherrn an.
»Ich bin Ihrer Meinung, Herr Scott. Der Hund ist viel zu klug, um totgemacht zu werden.«
SECHSTES KAPITEL
Der Gebieter
Wolfsbluts Haar sträubte sich, als er sah, daß Weedon Scott sich ihm näherte, und er knurrte, um anzukündigen, daß er sich keiner Strafe gutwillig unterwerfen wolle. Vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seitdem er die Hand des Herrn gebissen hatte, die nun verbunden in der Schlinge hing. Früher war es ihm passiert, daß Strafen aufgeschoben worden waren, und er fürchtete, es könne auch jetzt geschehen. Konnte es auch anders sein? Er hatte einen Frevel begangen, als er die Zähne in das geheiligte Fleisch eines Menschen, und noch dazu eines Weißen, versenkt hatte, und es stand ihm also Furchtbares bevor.
Der Mann setzte sich einige Fuß weit von ihm entfernt nieder. Das sah allerdings nicht gefährlich aus. Wenn die Menschen straften, so standen sie aufrecht, auch hatte dieser weder Stock noch Peitsche, noch ein Gewehr. Er selber aber war frei; keine Kette, keine Fessel hinderte ihn. Er konnte sich in Sicherheit bringen, ehe der andere sich auf die Füße stellte. Mithin wollte er abwarten und zusehen. Als Scott ruhig dasaß und keine Bewegung machte, verwandelte sich Wolfsbluts Knurren langsam in Grollen, das tief unten aus der Kehle heraufklang. Dann fing der Mann an zu sprechen, beim ersten Ton der Stimme schoß das Grollen im Halse empor, und das Haar auf Wolfsbluts Nacken richtete sich auf. So grollte Wolfsblut eine Zeitlang im Takt mit der Stimme des Mannes. Aber dieser redete ohne Aufhören und so, wie noch nie jemand zu Wolfsblut gesprochen hatte. Es klang sanft und so freundlich, daß Wolfsblut davon irgendwo in seinem Innern angenehm berührt wurde. Unwillkürlich fing er an, trotz der scharfen Warnungen des Instinkts, zu diesem Menschen Vertrauen zu fassen. Er hatte ein Gefühl der Sicherheit, das die Erfahrungen, die er bisher mit den Menschen gemacht hatte, Lügen strafen mußte.
Das währte eine lange Weile, dann stand Scott auf und ging ins Haus hinein. Als er herauskam, betrachtete Wolfsblut ihn scheu und prüfend. Er hatte weder Peitsche noch Stock, noch irgendeine Waffe bei sich. Auch war die gesunde Hand nicht auf dem Rücken versteckt. Er setzte sich auf denselben Fleck, nur wenige Schritte von Wolfsblut entfernt, nieder und hielt ihm ein Stückchen Fleisch hin. Wolfsblut spitzte die Ohren und besah es mißtrauisch, indem er Scott nicht aus den Augen ließ. Er war auf einen Angriff gefaßt, denn sein ganzer Körper war gespannt und auf das erste Zeichen einer Feindseligkeit sprungbereit. Doch die Züchtigung kam immer noch nicht. Scott hielt ihm immer nur das Stück Fleisch vor die Nase, an dem nichts Unrechtes zu sein schien. Dennoch blieb Wolfsblut argwöhnisch, obgleich ihm das Fleisch mit einladender Bewegung dargeboten wurde. Die Menschen waren so schlau, man konnte nie wissen, was hinter solch einem harmlosen Stück Fleisch lauerte! Er dachte an frühere Erfahrungen, besonders mit Indianerinnen, wobei ein Stückchen Fleisch und eine Züchtigung in merkwürdig nahem Zusammenhang gestanden hatten.
Endlich warf Scott das Fleisch dicht vor Wolfsbluts Füße auf den Schnee hin. Wolfsblut beroch es sorgfältig, ohne ein Auge von dem Manne zu wenden. Da ihm nichts passierte, verschlang er den Bissen. Wieder geschah nichts, als daß noch ein Stück Fleisch ihm hingehalten wurde, und da er sich wieder weigerte, es zu nehmen, wurde es abermals hingeworfen. Das wiederholte sich mehrere Male. Endlich aber kam der Augenblick, wo Scott sich weigerte, ihm das Fleisch hinzuwerfen, und es ihm in der Hand hinreichte. Das Fleisch schmeckte gut, und Wolfsblut war hungrig. Schritt für
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