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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Whitley Strieber
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die Schritte zu bedeuten? Offensichtlich hatten die im Keller beschlossen, nach oben zu kommen. Und sie waren bekannt. Der Klang ihrer Schritte, der Geruch, der von ihnen ausging, ihre Stimmen - an das alles erinnerten sie sich vom Schrottplatz. Wie die Ältesten befürchtet hatten, hatte die Ermordung der jungen Menschen eine Untersuchung ausgelöst. Und diese beiden hatten die Untersuchung durchgeführt. Jetzt waren sie da und folgten der Meute offensichtlich.
    Ihr Geruch wurde um so stärker, je näher sie kamen: ein alter Mann und eine junge Frau. Keine Gefahr, es würde ein Leichtes sein, sie zu töten.
    Der Anführer gab einen Laut von sich, der die Meute in Bewegung brachte.
    Sie hatten Hunger, die Kindern froren und hatten Hunger. Nahrung war nötig. Heute hätte eine neue Jagd begonnen. Vielleicht war das unnötig; diese Tötung würde sowohl die Gefahr beseitigen wie auch Nahrung liefern. Aber die kräftige junge Frau mußte von dem schwachen alten Mann getrennt werden. Wie ließ sich das bewerkstelligen? Ihr Geruch verriet die Tatsache, daß sie Partner waren, und dem Tonfall ihrer Stimmen, wenn sie miteinander sprachen, konnte man entnehmen, daß sie schon sehr lange zusammenarbeiteten. Wie trennt man solche Menschen auch nur einen Augenblick voneinander, besonders wenn beide die Gefahr spüren? Beißende Angst mischte sich in den Geruch, während sich die beiden Menschen durch die Dunkelheit tasteten. Verdauungssäfte flossen, Herzen schlugen vor Jagdlust schneller. Der Anführer warnte: Zurückhalten, zurückhalten. Er spürte versteckte Gefahren in der Situation. Plötzlich verabscheute er den Ort. Er haßte ihn, es ekelte ihn davor. Es wimmelte von Menschen. Kräftige, junge waren draußen, diese beiden drinnen und noch ein älterer im Keller. »Unsere Jungen dürfen ihre Jungen nicht töten«, dachte er grimmig. Er merkte, wie sie sich langsam auf die Tür des Zimmers zu bewegten, das sie bewohnten; er bewegte sich gegen seinen Willen, weil er von dem Gedanken beherrscht wurde, die beiden zu töten, die so viel wußten, daß sie der Meute bis hierher gefolgt waren. Jetzt bewegten sich die anderen hinter ihm, verstohlen, zielstrebig, leise den dunklen Flur entlang, die finstere Treppe hinunter auf den wunderbaren Geruch zu, zu dicht an den Menschen und doch nur dicht genug, sich das zu holen, was sie brauchten. »Muß einen Weg finden, sie zu trennen«, dachte der Anführer. Dann blieb er stehen. Sein ganzer Körper brannte vor Verlangen weiterzugehen, den Angriff zu beenden, den Tod der Beute im Mund zu spüren. Aber er dachte gründlich nach, sein Verstand analysierte das Problem und fand eine Lösung.
    Bestimmte Geräusche zogen Menschen an. Diese Tatsache machten sie sich oft bei der Jagd zunutze. Ein kurzer Schrei, wie der eines ihrer Jungen, würde selbst den Furchtsamsten in Reichweite eines Angriffs locken. Und der Schrei von Kindern wurde von Frauen am besten gehört.
    »Psst!«
    »Was?«
    »Hör doch.« Da war es wieder, das unmißverständliche Wimmern eines kleinen Kindes. »Hast du das gehört?«
    »Nein.«
    Becky ging zur Treppe. Sie hörte es deutlicher, es kam von oben. »Wilson, da oben ist ein Kind.« Sie richtete den Lichtstrahl ins Halbdunkel. »Ich sage dir, ich höre ein Kind.«
    »Dann sieh eben nach. Ich gehe da nicht rauf.«
    Wieder das Geräusch, voll inständigem Flehen.
    Sie stand auf der ersten Stufe und ging fast gegen ihren Willen nach oben. Der Lockvogel oben legte sein ganzes Geschick in die Rufe und machte sie so flehend und anziehend wie möglich. Er stellte sich vor, er wäre ein hilfloses Menschenkind, das auf dem kalten Boden lag und weinte, und die Laute, die er von sich gab, waren genau die eines solchen Kindes.
    Die anderen gingen rasch zur gegenüberliegenden Treppe und sahen nach unten. Sie spürten die Position der Beute. Die kräftige junge Frau sah die Treppe herauf, der schwache alte Mann stand hinter ihr im dunklen Flur. »Komm herauf, komm herauf«, flehte der Lockvogel sie in Gedanken an und gab die leisen Geräusche von sich. Es mußte richtig sein, mußte perfekt sein, mußte ausreichen, sie anzuziehen, ihr aber nicht die Möglichkeit geben, das zu denken, was sie denken wollte - daß es der Wind war, eine quietschende Diele, etwas Gefährliches.
    Als sie auf dem ersten Treppenabsatz war, waren die Jäger auf dem des anderen Treppenhauses. Während sie zum Lockvogel emporschritt, schlichen sie zu Wilson hinunter. Je näher sie kamen, desto

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