Wolfsdunkel -7-
Original-Werwolf ist, weiß er mehr, als er zugibt.“
Malachi hatte gelogen; keine Ahnung, warum mich das so sehr enttäuschte. Ich hatte geglaubt, dass er anders wäre, aber er war nun mal ein Mann. Vielleicht.
„Wir haben das Camp gestern von oben bis unten durchkämmt“, wandte ich ein. „Da war weit und breit kein Wolf.“
„Das war vor der Vorstellung. Gott und die Welt waren gestern dort, um sie sich anzusehen.“
„Was bedeutet, dass jeder von ihnen dort draußen in den Wäldern getan haben könnte, was nötig ist, um einen Werwolf zu erschaffen, und es nicht zwingend einer der Zigeuner gewesen sein muss.“
„Theoretisch ja.“
„Aber du glaubst nicht, dass es einfach irgendjemand war.“
„Wir haben eine Kette von Indizienbeweisen, die allesamt auf die Zigeuner hindeuten. Was mich zu dem bösen Verdacht führt, dass jemand versuchen könnte, sie reinzulegen, aber wer hätte ein Motiv? Die zwei Hauptverdächtigen auf meiner Stinkig-auf-den-Zigeunerkönig-Liste sind tot.“
„Was uns auf direktem Weg zurück zu den Zigeunern bringt.“
„Exakt. Also lass uns hinfahren!“ Grace stand auf. „Ich brauche nur ein paar Minuten.“
Grace hielt Wort und kam zehn Minuten später in ihrer Uniform zurück, die Haare zu einem langen, feuchten Zopf geflochten, der ihr bis auf den Rücken reichte.
„Je von einem Fön gehört?“, stichelte ich.
„Davon bekomme ich Spliss.“
„Und vom Herumlaufen mit nassen Haaren bekommst du eine Lungenentzündung.“
„Du weißt verdammt gut, dass man wegen nasser Haare nicht krank wird.“
„Ja, so sagt man.“ Aber ich war nie überzeugt gewesen.
Wir legten die Fahrt zum See schweigend zurück, bis Grace einen knappen Kilometer vor dem Zigeunercamp auf einen schmalen Jagdweg einbog.
„Was hast du vor?“, fragte ich.
„Wenn wir etwas herausfinden wollen, müssen wir ein bisschen verstohlener an die Sache herangehen als bisher.“
„Uns heimlich heranpirschen und sie ausspionieren, meinst du?“
„Ja. Falls dich gerade das schlechte Gewissen überkommt, kannst du ja hier warten.“
Mir gefiel die Idee nicht, die Leute zu bespitzeln, aber da mir der Gedanke an blutrünstige Werwölfe noch weniger gefiel, folgte ich Grace in den Wald.
Eine dichte Wolkenfront schob sich vor die Sonne. Schatten tanzten zwischen den Blättern, und ich guckte mich in der Befürchtung, etwas Kompakteres als ein Flackern zwischen den Bäumen zu entdecken, mehr als einmal nach allen Seiten um.
„Ich habe ein mieses Gefühl bei der Sache“, gestand Grace.
Mir erging es genauso, aber das behielt ich für mich. Welchen Sinn hätte es, darüber zu reden? Es würde mich nur noch nervöser machen.
Wir gelangten auf eine sanfte Anhöhe. Grace legte sich flach auf den Bauch und spähte über den Rand. Ich tat das Gleiche. Wir kauerten auf einer Hügelkuppe, die zu der zertrampelten Wiese hinabführte, die als Parkplatz diente. Weder dort noch in der Nähe der umstehenden Wagen war eine einzige Menschenseele zu sehen.
Ich guckte auf die Uhr. Es war noch früh, trotzdem sollte irgendjemand auf den Beinen sein.
„Mein mieses Gefühl wird immer mieser“, flüsterte sie mir zu.
Wir warteten noch ein paar Minuten, bevor Grace aufstand und sich mit der Hand auf ihrer Waffe – eine von denen, die ich auf ihrem Küchentisch gesehen hatte und die mit Silber geladen waren – an den Abstieg machte.
Als wir den Rand des Camps erreichten, blieb sie stehen und legte den Finger an die Lippen. Sie schloss die Augen, holte tief Luft und hielt sie mit schräg gelegtem Kopf an.
Sekunden später ließ sie den Atem entweichen und öffnete die Augen. Wie immer verblüffte mich der plötzliche Kontrast zwischen dem strahlenden Grün und ihrer bronzefarbenen Haut. „Es ist niemand hier.“
„Woher weißt du das?“
„Verlassene Orte verströmen ihre ganz eigene … hm … “ Sie wandte den Blick ab. „Aura.“
„Ihre Aura“, echote ich. „Du meinst so etwas wie einen muffigen Geruch?“
„Mist!“ Sie lief in Richtung Tierkäfige. Ich nahm die Verfolgung auf.
Wir bogen gleichzeitig um den ersten Käfig, dann starrten wir auf eine endlose Leere.
„Das ist nicht gut“, stellte sie fest.
„In diesem Fall untertreibst du. Aber wo können sie stecken?“
„Was glaubst du wohl?“ Sie machte eine derart schwungvolle Armbewegung in Richtung Bäume, dass sie mir dabei fast eins auf die Nase gegeben hätte. „Wir brauchen Jäger.“ Sie lief auf und ab, während sie laut
Weitere Kostenlose Bücher