Wolfsdunkel -7-
Zigeunerkarawane“, erklärte sie.
Ich blinzelte. „Entschuldige, aber hast du gerade ‚Zigeunerkarawane‘ gesagt?“
Sie lächelte herablassend. „Mit deinem Gehör ist alles in Ordnung.“
Die Art, wie sie das sagte, schien anzudeuten, dass dafür mit anderen Teilen von mir etwas nicht in Ordnung war. Das entsprach zwar der Wahrheit, aber Grace wusste das nicht. Niemand wusste es.
„Claire.“ Sie seufzte. „Was ist in Atlanta mit dir passiert? Früher hast du Sarkasmus verstanden und Paroli geboten. Man konnte Spaß mir dir haben.“
„Jetzt bin ich Bürgermeisterin“, konterte ich lahm.
„Da hast du es.“ Unsere Blicke trafen sich, und sie zwinkerte. „Aber wir werden dich schon wieder hinbiegen.“
Ich würde nie mehr derselbe Mensch sein wie vor meinem Weggehen, aber zumindest konnte ich jetzt, da ich wieder zu Hause war, endlich aufhören, bei jedem Schatten zusammenzuzucken. Das schrille Brrrrring des Telefons ließ mich mit pochendem Herzen vom Stuhl springen.
So viel dazu.
Grace gab ein ungeduldiges Geräusch von sich. Hatte sie sich je im Leben vor etwas gefürchtet?
„Geh nicht ran!“, befahl sie. Ich zog fragend eine Braue hoch. „Du wirst dich nur mit irgendwelchem Hinterwäldlermist rumschlagen müssen, und ich will, dass du mich begleitest.“
„Hinterwäldlermist?“ Gott, wie ich sie vermisst hatte!
GracezucktedieAchseln.„Duweißtdoch,wiedashierist.JamiesKuhhatsichinHaroldsMaisfeldverirrt.LucysKatzehatCarolsHundeinsaufdieNasegegeben.IrgendeinunterbelichtetesGörstecktmitdemKopfzwischendenStangendesKlettergerüstsfestundschreitseiteinerStundeZeterundMordio.“
„Das klingt eher nach deiner Art von Hinterwäldlermist als nach meiner.“ Ich war erleichtert, als mein Telefon endlich zu klingeln aufhörte und der Anrufbeantworter ansprang.
„Na schön.“ Grace öffnete die Tür. „Dann musst du dir eben nicht das Gejammer von jemandem anhören, der sich über Grenzlinien, Steuern oder ungerechte Gemeindeverordnungen beschweren will.“
Das wäre tatsächlich meine Art von Hinterwäldlermist.
An Joyce’ Schreibtisch machte ich kurz halt, um eine Notiz zu kritzeln und mein Handy darauf zu überprüfen, ob es eingeschaltet war, anschließend zeigte ich mit dem Daumen zum Hintereingang.
Wir hatten die Tür fast erreicht, als jemand rief: „Bürgermeisterin?“ Ich wollte mich gerade umdrehen, doch Grace versetzte mir einen Stoß zwischen die Schulterblätter.
Ich stolperte auf meinen mattweißen Pumps, die die perfekte Ergänzung zu meinem blass pfirsichfarbenen Sommerkostüm waren, und wäre beinahe aufs Gesicht gefallen, als die Hintertür aufflog und wir in der Sommersonne landeten.
„Ah.“ Mit amüsierter Miene ließ Grace den Blick über den Parkplatz schweifen. „Weißt du noch, wie wir hier draußen während der Highschool Gras geraucht haben?“
„Grace!“
„Was denn?“ Sie schob eine dunkle Sonnenbrille vor ihre hellgrünen Augen.
„Jemand könnte dich hören.“
„Und wenn schon. Es ist ja nicht so, als ob wir uns erst gestern zugekifft hätten. Wir waren sechzehn.“
„Es würde einen schlechten Eindruck machen“, entgegnete ich streng. „Man erwartet von dir, Recht und Ordnung zu vertreten.“
„Soll ich mich etwa höchstpersönlich für etwas verhaften, das ich vor zehn Jahren angestellt habe? Tut mir leid, aber die Verjährungsfrist für dieses Verbrechen ist abgelaufen.“
Grace marschierte los, wobei ihre langen, gertenschlanken Beine die Distanz schneller überwanden, als meine das je geschafft hätten. Nicht, dass ich klein gewesen wäre, trotzdem fehlten mir gut sieben Zentimeter zu Grace’ ein Meter achtundsiebzig. Und ich war auf keinen Fall gertenschlank; ich war eher … rundlich. Nicht fett – zumindest noch nicht. Aber ich musste mich zügeln: fettarmer Joghurt, fettarmes Dressing, Nachtisch nur zu besonderen Gelegenheiten, wie zum Beispiel der Wiederkunft des Herrn.
Grace langte am Streifenwagen an und setzte sich hinters Steuer. Ich kletterte auf den Beifahrersitz, zerriss mir dabei die Strümpfe an der Tür und stieß eine Verwünschung aus.
„Wenn du diese dämlichen Dinger nicht tragen würdest, könntest du sie auch nicht ruinieren. Das hier ist nicht Atlanta.“
Ich musterte Grace’ Kombination aus dunkler Hose und ebenso dunkler Bluse, auf der ein schicker Aufnäher prangte, der sie als Sheriff von Lake Bluff auswies.
„Sag es nicht“, warnte sie mich.
„Sag was nicht?“
„Dass jemand in einem
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