Wolfsdunkel -7-
hätte ausmachen können. Die Pferde, die die Wagen zogen, waren riesig – Clydesdales vielleicht, auch wenn sie, abgesehen von ihrer Größe, keine Ähnlichkeit mit der Budweiser-Crew aufwiesen. Sie waren scheckig grau statt braun, und bei näherem Hinsehen hatten sie breitere Brustkörbe und gedrungenere Rümpfe.
„Polizei von Lake Bluff.“ Grace nahm ihre Sonnenbrille ab und hakte den Bügel in ihre Bluse, bevor sie mit einer Hand auf dem Knauf ihrer Pistole auf die Gruppe zusteuerte.
Die, die in der vordersten Reihe standen, wichen zurück. Hinter ihnen erhob sich fremdsprachiges Gemurmel.
„Wie ein Elefant im Porzellanladen“, schimpfte ich leise. Ich mochte mich verändert haben, sie hatte das nicht getan.
Nachdem ich mein bestes CNN -Moderatorinnenlächeln aufgesetzt hatte, schloss ich zu ihr auf. „Ich bin Claire Kennedy, die Bürgermeisterin von Lake Bluff. Darf ich fragen, was Sie hier machen?“
Das Gemurmel erstarb fast vollständig, aber noch immer starrten uns alle an. Ein paar bekreuzigten sich sogar, zumindest machte es den Eindruck. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich angenommen, dass sie sich vor mir fürchteten. Möglicherweise fürchteten sie sich aber einfach nur vor Grace.
„Nimm die Hand von der Waffe“, flüsterte ich.
„Nein.“
„Du jagst ihnen Angst ein.“
„Vor dem Sheriff Angst zu haben, ist gut für die Gesundheit.“
IchpresstedieLippenaufeinander.MeinveränderterAusdruckließdasunverständlicheGebrabbelvonNeuemanschwellen.IcherhobdieStimme.„GibteshiereinenVerantwortlichen?“
„Jemand, der Englisch spricht?“, ergänzte Grace.
„Das wäre dann wohl ich.“
Eine Art Welle – der Geräusche und Bewegungen – entstand in den hinteren Reihen, begleitet von einer Aura der Unterwürfigkeit, als die Menschen die Köpfe neigten. Die Menge teilte sich, und ein Mann kam uns entgegen.
„Heilige Scheiße!“, entfuhr es Grace.
Mir verschlug es die Sprache, allerdings nicht wegen ihrer Formulierung, sondern wegen seines Anblicks. „Heilige Scheiße!“ traf den Nagel auf den Kopf.
Er trug die gleichen schwarzen Hosen wie die anderen Männer, dazu schimmernde, kniehohe schwarze Stiefel, aber sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Schweiß oder Seewasser – ohne eine Geschmacksprobe ließ sich das schwer feststellen.
Der Gedanke ließ mich blinzeln, denn mir waren Gedanken von dieser Sorte in letzter Zeit nicht viele gekommen.
Seidige gebräunte Haut floss über geschmeidige Muskeln und einen harten Waschbrettbauch. Eine frische Brise wehte aus Richtung Berge heran, und die plötzliche Kühle bewirkte, dass sich sein Körper mitsamt seinen Bizepsen anspannte.
Aber es war nicht ausschließlich seine Figur, die mich sprachlos machte. Seine Augen glänzten wie Blut im Mondschein; Wangen, Kinn und Nase waren wie aus Granit gemeißelt – wer könnte es mir also verdenken, dass ich ihn anstarrte?
Jemand reichte ihm ein Handtuch, und er rieb sich mit ebenso effektiven wie aufreizenden Bewegungen die Brust trocken. Mein Bauch fing an zu flattern, und ich musste mich beherrschen, den Blick nicht von seinem plötzlich amüsierten Gesicht abzuwenden, um den Bewegungen seiner Hände zu folgen.
Er hob das Handtuch zu seinem leicht lockigen pechschwarzen Haar, das gerade lang genug war, dass es den Ansatz seines Schlüsselbeins berührte. Während er es trocken rubbelte, flogen Wassertropfen nach allen Richtungen davon, und die Strähnen spielten Verstecken mit dem silbernen Kreuz, das an seinem linken Ohr baumelte.
Er warf das Handtuch hinter sich, als erwartete er, dass jemand es auffing, was auch geschah, bevor man ihm ein unglaublich weißes Hemd reichte. Während er es sich über den Kopf zog, schaute ich zu Grace, die die Augen verdrehte.
„Sheriff“, begrüßte er sie mit einem Akzent, der so irisch war, dass ich Klee zu riechen glaubte. „Bürgermeisterin Kennedy. Mein Name ist Malachi Cartwright.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Nennen Sie mich Mal.“
„Es lohnt sich nicht, vertraulich zu werden“, belehrte Grace ihn. „Sie werden nämlich nicht bleiben.“
Cartwright zog die Augenbrauen und einen Mundwinkel hoch. „Ach, werden wir nicht?“
2
Die Finger fest um den Knauf ihrer Pistole geschlossen, wollte Grace einen weiteren Schritt nach vorn machen. Ich ließ den Arm zur Seite schnellen und blockte sie ab. Sie knurrte zornig.
„Hör auf damit!“, verlangte ich. „Ich kümmere mich darum.“
Mein Vater hatte immer gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher