Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall
verstanden?«
Während seine Mitarbeiter schweigend die strikte Anordnung entgegennahmen, rotteten sich, wie schon so oft in solch scheinbar ausweglosen Situationen, in Tannenbergs tiefsten Innern gewaltige, mit einem unbändigen Überlebenswillen ausgestattete Energiepotentiale zum Gegenangriff zusammen.
Mit Hochdruck bastelten sie an einer ›vernünftigen Strategie‹, wie es der Kriminaldirektor gerade eben ausgedrückt hatte. Allerdings liefen diese Problemlösungsbemühungen in ihrer Konsequenz so ziemlich genau auf das Gegenteil dessen hinaus, was Eberle mit diesem Begriff inhaltlich wohl gemeint hatte.
»Auch wenn Sie damit natürlich nicht einverstanden sein werden, Herr Kollege Tannenberg, muss ich Ihnen jetzt leider mitteilen, dass wir keine andere Wahl haben, als Sie vom Dienst zu suspendieren ...« Der Kriminaldirektor räusperte sich mehrmals.
Anschließend führte er die begonnenen Ausführungen fort: »Und Sie wegen dringenden Tatverdachts vorläufig festzunehmen. Es ist mir wirklich sehr unangenehm, aber ich muss es leider tun. Ich habe keine andere Wahl. Was meinen Sie wohl, was sonst die Presse mit uns veranstaltet? Dr. Hollerbachs Befürchtungen sind leider vollkommen berechtigt. Sie haben ja selbst gestern Nacht die Blitzlichter gesehen. Morgen Früh sind die Bilder von Ihnen garantiert ganz groß in allen Zeitungen.«
Tannenberg glänzte nun mit einer taktischen Meisterleistung, die zugleich Teil seines gerade ausgetüftelten Plans war: Entgegen der Erwartungen der Anwesenden reagierte er nämlich weder mit einem psychischen Zusammenbruch, noch mit einem verbalen Amoklauf, sondern mit etwas völlig Gegensätzlichem: Er gab sich nämlich sehr verständnisvoll und kooperativ.
Mit fester, lauter Stimme verkündete er: »Ich bin gerade zur Einsicht gelangt, dass ich an Ihrer Stelle auch nicht anders handeln würde. Sie können ja gar nicht anders handeln. Die Indizienlage spricht eine eindeutige Sprache. Ich habe keinerlei Zweifel, dass sich meine Unschuld schon sehr bald herausstellen wird. Deshalb werde ich mich nun auch ausgesprochen gelassen in die U-Haft begeben.«
Die grenzenlose Verwunderung über das, was Tannenberg gerade geäußert hatte, stand jedem deutlich erkennbar ins Gesicht geschrieben.
Dr. Hollerbach fand als Erster seine Sprachfähigkeit wieder. »Das freut mich aber sehr, Herr Hauptkommissar, dass Sie so vernünftig sind. Meinen ausdrücklichen Respekt! Und ich versichere Ihnen hiermit, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Sie so schnell wie möglich von diesem schrecklichen Verdacht zu befreien. Wenn es stimmt, was Sie behaupten, und Sie am Tod dieser beiden Studenten völlig unschuldig sind – was ich gerne glauben mag –, werden die Kollegen aus Pirmasens die Wahrheit sicher schon bald ans Tageslicht befördern.«
»Da bin ich ziemlich optimistisch, Herr Oberstaatsanwalt«, entgegnete Tannenberg betont gelassen. »Ich würde jetzt nur noch mal gerne nach Hause gehen, um zu duschen und mir ein paar frische Sachen anzuziehen. Der Geiger kann mich ja schnell hinfahren.«
»Aber selbstverständlich, Tannenberg. Lassen Sie sich ruhig Zeit damit. Nur keine Hektik«, zeigte sich der ranghöchste Vertreter der Kaiserslauterer Staatsanwaltschaft für seine Verhältnisse außergewöhnlich entgegenkommend.
Teil zwei des tannenbergschen Plans funktionierte genauso gut und reibungslos wie der Erste. Was sicherlich vor allem darauf zurückzuführen war, dass Kriminalhauptmeister Geiger noch nicht einmal im Entferntesten mit dem gerechnet hätte, was sich im Anschluss an die Dienstbesprechung im Hause seines Vorgesetzten abspielte.
Obwohl Geiger ja gezwungenermaßen einer der beiden Hauptbeteiligten an den folgenschweren Geschehnissen war, wohnte er den Ereignissen lediglich wie ein passiver Zuschauer bei. Willenlos ließ er alles über sich ergehen: Erst die erzwungene Aushändigung seiner Dienstwaffe, dann das Anketten mit seinen eigenen Handschellen an Tannenbergs Badezimmerradiator und schließlich das Überkleben seines Mundes mit Paketband.
»Aber, Chef, das können Sie doch nicht machen!«, war das Einzige, was Geiger vor der Stilllegung seiner Sprechwerkzeuge über die Lippen gekommen war – dies allerdings gleich mehrmals.
Während Tannenberg ihm das breite Klebeband über den mit kleinen Schweißperlen benetzten Mundbereich zog, hatte er lapidar geantwortet: »Geiger, merk dir mal folgenden Satz für dein weiteres Leben: Besondere Situationen
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