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Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall

Titel: Wolfsfalle: Tannenbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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einen Helm auf dem Kopf trug, versuchte er sich den kalten Angstschweiß von der Stirn zu wischen. Erst die beim Kontakt der Fingerknöchel mit dem Integralhelm entstandenen Klopfgeräusche überzeugten ihn von der Unsinnigkeit seiner Handlung.
    Je länger er in dieser verkrampften, ungewohnten Körperhaltung auf dem Motorroller saß, desto stärker machten sich seine Rückenschmerzen wieder bemerkbar. Kurz hinter Wörrstadt stoppte er auf einem Feldweg. Auf der Suche nach den eingepackten Schmerztabletten kramte er in seinem Rucksack herum. Dabei fiel sein Blick auf das gelbe Reclambändchen mit dem merkwürdigen Titel. Er nahm es in die Hand, ließ die Blätter einmal über seinen rechten Daumen hinweglaufen und steckte es anschließend kopfschüttelnd zurück in den Rucksack, direkt zwischen die beiden Dienstwaffen. Dann warf er zwei Tabletten ein und setzte seine Fahrt fort.
    Nach einer weiteren halben Stunde traf er vor der mehrgeschossigen Wohnhausanlage in Mainz-Lerchenberg ein, in deren Tiefgarage die Kriminalpsychologin vor einiger Zeit Opfer eines brutalen Mordanschlags geworden war.
    Tannenberg stellte den Motorroller neben den Fahrradständern ab und spurtete die Treppe hinauf zu der im dritten Obergeschoss befindlichen Wohnung. Eva erwartete ihn bereits. Nach einer flüchtigen Umarmung nahm sie ihn an der Hand und führte ihn in ihr Arbeitszimmer, wo sie ihm sogleich einen der beiden Schreibtischstühle anbot.
    »Und, was hast du rausgekriegt?«, fragte er ungeduldig, während er sich auf den Stuhl niedersinken ließ.
    »Also, Wolf: Gleich nachdem du angerufen hast, hab ich mich zur Sicherheit nochmal intensiv in meine Fachliteratur hineingestürzt. Mit Amnesie hab ich schließlich auch nicht jeden Tag zu tun. Du hast übrigens ganz schön Glück gehabt, dass ich heute zu Hause geblieben bin, um ein wichtiges Gutachten fertigzustellen.«
    »Bitte, komm gleich zur Sache«, drängte Tannenberg ungeduldig. »Ich hab wirklich nicht viel Zeit.«
    »Gut. Wenn ich dich vorhin am Telefon richtig verstanden habe, soll ich dir helfen, das zu verstehen, was dir in der letzten Nacht in dieser Studentenbude passiert ist. Gedächtnisverlust und so ...«
    »Natürlich, deswegen bin ich ja zu dir gekommen.«
    »Nur deswegen?«, fragte Eva mit einem leicht provokativen Unterton.
    Tannenberg verrollte die Augen.
    Die Kriminalpsychologin warf mit der linken Hand ihre rötliche Lockenpracht über die Schultern, während sie mit der anderen ein Fachbuch ergriff, das mit mehreren gelben Klebezetteln gespickt auf ihrem Schreibtisch lag.
    »Nach dem, was du mir erzählt hast, kann es sich eigentlich nur um eine proterograde Amnesie ...«
    »Eine was?«, unterbrach Tannenberg erneut.
    Eva klappte das Buch auf und zitierte daraus: »Als proterograde Amnesie bezeichnet man eine Störung des so genannten Neugedächtnisses. Dieser Teil unseres Gedächtnisapparats ist für die dauerhafte Speicherung neuer Informationen zuständig. Ist dieses Neugedächtnis beeinträchtigt, beispielsweise durch einen Schock, erinnert sich der Betroffene ziemlich genau an alles, was vor dem kritischen Ereignis passiert ist ...«
    »Ja, genau, das weiß ich wirklich noch alles«, warf Tannenberg ein.
    Ohne auf diese Bemerkung einzugehen, fuhr die Kriminalpsychologin mit ihrem kleinen Fachvortrag fort: »Die Erinnerungen an die Zeit danach fehlen jedoch. Und das entweder ganz«, sie unterbrach ihre laute Lektüre, warf ihm einen aufmunternden Blick zu, »oder, wies bei dir der Fall zu sein scheint, zeitweise.«
    Tannenberg nickte zustimmend. »Ja, und was kann man dagegen tun? Ich meine: Welche Therapie gibts denn bei so was?«
    »Du hast es doch bei deinem Anruf vorhin schon selbst ausgesprochen: Konzentriertes Abwarten – übrigens bei vielen Krankheitsbildern ist dies nicht selten die effektivste Therapie überhaupt.«
    »Konzentriertes Abwarten? Du hast gut reden. Ich kann doch hier nicht einfach nur rumsitzen und warten.«
    »Musst du aber wohl, mein liebes Wölfchen«, sagte Eva mit säuselndem Tonfall. Mit einer zärtlichen Geste versuchte sie Tannenbergs Wange zu streicheln.
    Der aber sprang plötzlich wie von einer Tarantel gestochen auf und begann nervös im Zimmer herumzulaufen.
    »Verdammt nochmal, warum kann ich mich denn noch immer nicht erinnern?« Dabei hämmerte er sich mit seinen Fingerkuppen auf dem Schädel herum. »Kein biss-chen, nichts. Da drin ist alles weg. Nichts von dieser wichtigen Zeitspanne ist noch da, gar nichts. Noch

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