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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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Jungen
an. »Was ist wirklich passiert in dieser Nacht? Sie wollen mir weismachen, dass
Sie beide brav wie die Klosterschüler in Ihrem Zimmer verschwunden sind? Das
kaufe ich Ihnen nicht ab. Sie sind noch einmal in den Garten raus, mit Yadira.
In sehr angeregter Stimmung. Der Abend war fröhlich, Sie hatten einiges
getrunken, Sie haben miteinander getanzt. Yadira war ausgelassen,
begehrenswert. Dann haben Sie sich nicht mehr zurückhalten können, Ihnen sind
die Pferde durchgegangen.«
    »Hören Sie doch auf«, schrie Kai und hielt
sich mit beiden Händen die Ohren zu. »Ich halt das nicht mehr aus!«
    Aufgebracht trat sein Vater neben die Bank
und warf dem Kommissar einen wütenden Blick zu. »Was glauben Sie
eigentlich …«, giftete er los.
    »Nichts glaube ich«, unterbrach Mendelski
ihn schneidend. »Jetzt ist Schluss mit dem Theater. Ich lasse mir nicht länger
solche Lügengeschichten auftischen.«
    Er hielt dem bohrenden Blick des Hausherrn
stand. Der setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Finn, der rechts neben Kai
saß, den Kopf senkte und etwas murmelte.
    »Wollten Sie etwas sagen, Finn?«, fragte
Mendelski.
    Finn ließ den Kopf gesenkt und sagte kaum
hörbar: »Meinetwegen. Sie war meinetwegen noch mal hier unten.«
    * * *
    Mit weit überhöhter
Geschwindigkeit steuerte Jo Kleinschmidt den zivilen Dienstwagen auf der Celler
Heerstraße in Richtung Norden. Trotz des ruhigen Samstagnachmittagverkehrs auf
der Bundesstraße war das versteckt eingebaute Martinshorn eingeschaltet, auf
dem Autodach blitzte ein mobiles Blaulicht.
    »I’m sorry, but we have to do this.« Ellen Vogelsang versuchte, dem Mädchen auf der Rückbank
neben sich zu erklären, warum sie so schnell fuhren. »We
are in a hurry.«
    Vorn spitzte Strunz die Ohren.
    »It’s okay« ,
antwortete die junge Frau kaum hörbar, während sie mit beiden Händen die
Handtasche auf ihrem Schoß umklammerte. So schnell war sie in der
Dominikanischen Republik noch nie Auto gefahren. Selbst mit ihrem Bruder nicht. »I understand.« Ihr Latinoakzent war nicht zu überhören und passte zu ihrem exotischen
Aussehen.
    Ellen Vogelsang versuchte, so behutsam wie
möglich nach ihrem Befinden zu fragen. »Do you feel
alright?«
    Sie hatten sie direkt aus der Notaufnahme
des Krankenhauses geholt und mitgenommen, nachdem sie erfahren hatten, wer die
junge Frau war und welch schlimmer Schicksalsschlag sie getroffen hatte.
    »Thanks, I’m okay.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Ellen Vogelsang stellte keine weiteren
Fragen.
    * * *
    Für einen Moment herrschte
Stille. Selbst die Vögel im Garten schienen gemerkt zu haben, dass es in dieser
Situation geboten war, den Schnabel zu halten.
    »Was sagst du?« Kai rückte auf der Bank
ein Stück von seinem Freund weg. »Spinnst du jetzt komplett, oder was?«
    »Nein, ich spinne nicht«, sagte Finn nun
lauter. Er wich dem Blick seines Freundes aus und schaute Mendelski an. »Wir
haben uns heimlich getroffen, Yadira und ich. Hier im Blockhaus.«
    »Erzählen Sie, aber der Reihe nach«,
forderte der Kommissar ihn auf.
    Finn richtete seinen zusammengesunkenen
Körper etwas auf. »Irgendwann am Abend«, berichtete er, »nachdem ich mehrere
Male mit Yadira getanzt hatte, kam es zu der heimlichen Verabredung. Wir
wollten uns später noch einmal am Blockhaus treffen. Ich tat, als würde ich
nach Hause gehen. Aber in Wahrheit hab ich mich durch die Hecke zurück aufs
Grundstück geschlichen. Yadira war zunächst auf ihr Zimmer gegangen. Als es
ruhig geworden war im Haus, ist sie klammheimlich wieder raus und zu mir
gekommen.«
    »Warum denn diese Heimlichtuerei?«
    Finn überlegte einen Augenblick.
»Eigentlich aus zwei Gründen«, sagte er. »Einmal wollte Yadira nicht, dass es
jemand mitkriegt. Denn sie wollte Kai nicht wehtun.« Er stockte. »Sie müssen
verstehen, er war verknallt in sie und hatte so viel für sie getan. Und …
ich wollte es auch nicht. Aus genau demselben Grund. Weil ich Angst hatte, Kai
zu verletzen.«
    »Du mieses Arschloch«, entfuhr es Kai. Er
sprang von der Bank auf und schien sich auf seinen Freund stürzen zu wollen.
    »Stopp!«, herrschte Mendelski ihn an.
»Reißen Sie sich zusammen. Ich habe keine Lust auf so ein Geschrei.« Auf weitere
Kostproben von Kais Jähzorn konnte er gut verzichten. »Für Eifersuchtsdramen
ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Machen Sie weiter, Finn.«
    Zögernd setzte der junge Mann neu an. »Wir
waren ungefähr eine halbe Stunde im Blockhaus, dann bin

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