Wolfsfeder
Schreibtisch, auf
das akkurat gemachte Bett und den verschlossenen Kleiderschrank. »Das hier
wirkt doch penetrant aufgeräumt, wie völlig unbenutzt.«
»Vielleicht war Yadira ja eine sehr
ordentliche junge Frau«, warf Mendelski unsicher ein, während er die Fotos an
der Pinnwand über dem Schreibtisch studierte. Sie zeigten allesamt leicht
bekleidete dunkelhäutige Menschen mit fröhlichen Gesichtern in einer
sattgrünen, tropischen Umgebung.
»Na, was wir bisher über sie gehört haben,
klingt aber ganz anders.« Maike bückte sich, um den Papierkorb unter dem
Schreibtisch hervorzuziehen. »Lebensfroh, unbeschwert … solche Mädchen
kenne ich.« Sie griente. »Die machen nicht ihr Bett, die lassen den
Kleiderschrank offen, und auf dem Schreibtisch türmen sich Zeitschriften,
Zettel und Schminkutensilien. Und schau mal: kein einziges Fitzelchen im
Papierkorb.« Sie hielt ihm den leeren Blecheimer unter die Nase. »Ich bleibe
dabei. Hier hat jemand nach ihrem Tod reinen Tisch gemacht – und
vielleicht nach etwas gesucht.«
Mendelski wiegte zweifelnd den Kopf.
»Vielleicht hat die Haushälterin hier aufgeräumt«, sagte er. »Im Rahmen des
wöchentlichen Hausputzes, oder auf Anordnung von Kreinbrink. Wir werden sie
fragen.«
»Genau. Das muss geklärt werden.« Maike
begann, die Schubladen des Schreibtisches zu untersuchen. »Hoffentlich hat sie
nicht ausgerechnet heute Großreine gemacht. Dann hat sie alle möglichen Spuren
verwischt.«
»Tja, das wäre fatal.«
Mendelski stand noch immer in der Mitte
des Raumes und schaute sich um.
»Ziemlich spartanisch, findest du nicht?«,
stellte er nach einer Weile fest. »Kein Fernseher, kein PC , nicht mal ein Radio. Irgendwie anonym, leblos.
Unpersönlich wie ein Hotelzimmer.«
»Sie wohnte ja noch nicht so lange hier.
Gerade mal vier Monate.« Maike inspizierte einen Stapel Schulhefte, die sie in
einer Schreibtischschublade entdeckt hatte, während sie weitersprach.
»Außerdem … vielleicht konnte sie sich im ganzen Haus frei bewegen und hat
diesen Raum hier nur zum Schlafen genutzt.«
»Du meinst, dass sie so gut in die Familie
integriert war? Möglich wär’s.«
Mendelski ging auf den Kleiderschrank zu
und wollte gerade die beiden Flügeltüren öffnen, als sein Handy klingelte.
»Ja … wir sind noch bei den Kreinbrinks«, sagte er in sein Mobiltelefon.
»Was gibt’s?«
Nachdem er eine Weile zugehört hatte,
erwiderte er: »Okay, wir kommen sofort.« Er unterbrach die Verbindung und
erklärte auf Maikes fragenden Blick: »Das war Heiko. Im Gasthof Cohrs ist Finn
Braukmann aufgetaucht, einer von der Spanischtruppe gestern Abend. Er möchte
etwas zum Tod von Yadira aussagen. Es wäre äußerst wichtig, behauptet er, und
er will nur mit dem Chef der Mordkommission persönlich sprechen.«
»Wir sind hier doch nicht im Kino«,
lästerte sie. »Aber trotzdem musst du da wohl hin.«
»Ja, und dich nehme ich besser mit. Wir
versiegeln den Raum und schicken nachher die Spusi-Truppe her.«
»Dann mal los, du
Mordkommissions-Chef …«, sagte Maike kichernd und öffnete die Tür.
* * *
»Oh nein, der Schriewe!« Maikes
Augen funkelten böse.
Sie hatten gerade den Flur der
Gastwirtschaft betreten, als ihnen ein junger Mann mit einem charmanten Lächeln
und einem Fotoapparat vor der Brust entgegentrat.
»Axel Schriewe, der rasende Reporter von
der › CZ ‹«, ließ Mendelski
verlauten, während er raschen Schrittes weiterging. »Sie lassen aber auch gar
nichts anbrennen.«
»Aber Herr Kommissar, erinnern Sie sich
nicht mehr an Ihr Versprechen?«
Mendelski erwiderte nichts, und an der Tür
zur Gaststube endete das kurze Gespräch. Ein uniformierter Polizist, der
Mendelski und Maike Schnur aus dem Wald kannte, ließ die beiden passieren,
hielt den Reporter jedoch zurück.
»Was für ein Versprechen meint denn der?«,
fragte Mendelski Maike, nachdem er die Tür geschlossen hatte.
»Na, das mit der Exklusivstory«, erwiderte
sie und grinste vielsagend. »Weißt du das nicht mehr? Weil er sich letztes Jahr
beim Fall Wingenfelder so kooperativ gezeigt hat, hattest du ihm doch eine
Exklusivstory versprochen.«
»Ach je, die Geschichte mit dem Waldbrand
und dem Kohlfuchs. Ich erinnere mich dunkel.« Mendelski winkte ab. »Jetzt habe
ich für so was keine Zeit. Komm, da drüben steht Heiko.«
Für das Gespräch mit Finn
Braukmann zogen sich Mendelski und Maike Schnur in einen Nebenraum der
Gaststätte zurück. Der Junge saß auf seinem Stuhl wie ein
Weitere Kostenlose Bücher