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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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rechten Hand nach oben. »Ich habe hier im
Haus eine kleine Einliegerwohnung.«
    »Ihnen ist gestern Nacht nichts Besonderes
aufgefallen?«
    »Nein, nichts. Ich bin schon früh schlafen
gegangen.«
    »Wann genau?«
    »So gegen zehn, halb elf.«
    Mendelski lehnte sich zurück und schaute
zu Maike Schnur hinüber. Die saß vor ihrem aufgeklappten Notizblock, hatte
bisher aber noch nicht viel zu Papier gebracht. Das sollte sich nun ändern.
    »Erzählen Sie uns doch mal bitte«, sagte
sie, indem sie sich Konrad und Kai Kreinbrink zuwandte, »wann, wo und wie Sie
Yadira kennengelernt haben.«
    Die beiden Männer schauten sich kurz an,
dann nickte Kai.
    »Kathrin, also meine Schwester, und ich
haben Yadira in einer Diskothek kennengelernt«, begann er. »Im ›I‹, im
›Incognito‹ in Celle. Vor ungefähr einem halben Jahr. Da hat sie sich unserer
Clique angeschlossen.«
    »Clique bedeutet …« Maike las nun
vor: »Finn, Lasche und Mira, nicht wahr?«
    »Richtig. Und Kathrin natürlich. Meine
Schwester versteht sich mit Yadira prima.«
    »Sie verstand sich, Kai«, korrigierte Kreinbrink senior leise.
    »Ihre Schwester, die zurzeit in Lüneburg
studiert«, wiederholte Mendelski.
    »Richtig.«
    »Weiß sie schon von Yadiras Tod?«
    »Nein, wir haben sie noch nicht erreichen
können.«
    Mit einem kurzen Seitenblick gab Mendelski
Maike zu verstehen, dass sie nun fortfahren konnte.
    »Was machte Yadira eigentlich hier in
Deutschland?«, fragte sie.
    Kai holte tief Luft: »Sie hatte eine
Anstellung als Au-pair-Mädchen. In Eldingen, nicht weit von hier. Eine Agentur
hat sie dorthin vermittelt. Sie war da aber kreuzunglücklich. Der Familienvater,
so ‘n schmieriger Typ, hat ihr wohl nachgestellt.«
    »Name, Adresse?«, fragte Maike Schnur,
während sie vom Block aufsah. Dieser Hinweis erschien ihr von besonderer
Bedeutung.
    »Äh … Stattler, Stadler, oder so
ähnlich. Suchen wir Ihnen raus. Ich habe die Anschrift irgendwo. Jedenfalls hat
Yadira im Mai den Job dort geschmissen und ist zu uns gezogen. Zunächst
provisorisch, dann ganz offiziell.« Kai schaute seinen Vater an.
    »Ja«, sagte dieser. »Ich habe das mit der
Vermittlungsagentur und den Behörden geklärt. Geplant war, dass sie bis zum
Ablauf ihres Besuchervisums hier bei uns bleiben sollte. Und den
Deutschunterricht in Celle hat sie auch weiterhin besucht. Yadira war
außergewöhnlich lernbegierig und ehrgeizig.«
    »Wann wäre ihr Visum abgelaufen?«
    »Zum Februar nächsten Jahres.«
    »Haben Sie Kontakt zu ihrer Familie in der
Dominikanischen Republik?«
    »Nein. Yadira hat nur selten zu Hause
angerufen, ist ja recht teuer. Auch E-Mails schreiben war nicht ihr Ding. Zumal
ihre Familie auf dem Land lebt und keinen PC im Haus hat.« Konrad Kreinbrink wandte sich an seinen Sohn: »Oder weißt du
mehr?«
    »Nee.« Kai schüttelte den Kopf. »Sie hat
aber oft und gerne von zu Hause erzählt. Von den Bergen, den Bergflüssen, in
denen sie und ihre Geschwister immer gebadet haben, und von den
Kiefernwäldern.«
    »Kiefernwälder?« Maike Schnur stutzte.
»Ich dachte, Yadira kommt aus der Karibik. Gibt es dort nicht eher Palmen?«
    »Im Küstenbereich schon.« Kais Miene
hellte sich kurz auf. »Aber in den Bergen, da, wo Yadira zu Hause war, gibt es
auch Nadelwälder. Sie hat mir mal erzählt, dass unsere Heidekiefern den Kiefern
in der Dominikanischen Republik sehr ähneln.«
    »Gut«, sagte Mendelski und schob seine
Kaffeetasse zur Mitte des Tisches. »Wir würden jetzt gern mal Yadiras Zimmer
sehen.«
    »Sieht aus, als wäre vor uns
schon jemand hier gewesen«, flüsterte Maike Schnur. Sie hatten die Zimmertür
von Yadiras Zimmer hinter sich geschlossen, um allein und ungestört sprechen zu
können. »Besser, wir streifen Handschuhe über.«
    Mendelski stand mitten im Raum, hob den
Zeigefinger und lauschte. Er hörte, wie die Treppenstufen knarrten. Das
Geräusch entfernte sich. Konrad Kreinbrink, der sie hinaufbegleitet hatte,
schien wieder hinab ins Erdgeschoss zu gehen.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte er in normaler
Lautstärke, während er Maikes Beispiel folgte und sich Latexhandschuhe
überstreifte. »Es ist doch alles picobello. Sie wird das Zimmer letzte Nacht,
in der Todesnacht, nicht mehr benutzt haben.«
    »Das meine ich nicht«, wehrte Maike ab.
»Guck doch mal, sieht so ein normales Teenager-Zimmer aus?«
    Mendelski zuckte mit den Schultern.
    »Denk mal an Anas Zimmer.« Sie wies auf
den bis auf eine Schreibunterlage und eine Klemmlampe leeren

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