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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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jemand in die
Magengrube geschlagen.
    »Wann … und wie lange?«, stieß er
hervor.
    »Keine Ahnung.« Sie wandte sich ab. »Es
war spät, verdammt spät. Frag doch besser Piet.«
    * * *
    Oberflächlich betrachtet,
wirkten die drei weißen DIN-A 4-Blätter unverfänglich, fast harmlos und sogar ein wenig
naiv. Die einzelnen Buchstaben, bunt und von verschiedener Größe und
Schreibform, waren feinsäuberlich aus Zeitschriften oder Werbebeilagen
ausgeschnitten und aufgeklebt worden.
    Der Sinn der dort zusammengefügten Worte
war jedoch alles andere als unverfänglich, harmlos oder naiv. Auf dem ersten
Zettel stand: Verschwinde von hier, sonst ergeht es
dir wie Dora K. Das zweite Blatt trug
einen längeren Text, der sich reimte.
     
    Unter kalten Mörderhänden
    musste sie ihr Leben enden.
    Ein traurig Los war ihr beschieden,
    nun ruht sie fest in Gottes Frieden.
    Auf dem dritten Zettel war zu
lesen: Allerletzte Warnung!!!
    »Woher haben Sie die?«, fragte Mendelski.
Er hatte die drei Blätter sorgfältig nebeneinandergelegt, um sie besser
studieren zu können. Dabei hatte er sie vorsichtig und nur an den Kanten
berührt, um etwaige Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Maike Schnur schoss
derweil mit ihrem Handy etliche Fotos.
    »Von Yadira«, erklärte Finn Braukmann.
»Sie gab sie mir … vor acht Tagen.«
    »Und?«
    »Es sind Drohbriefe, wie Sie unschwer
erkennen können. Drohbriefe, die an Yadira gerichtet waren.«
    »Woher kamen die denn?« Im selben
Augenblick bereute Mendelski die dämliche Frage.
    »Die sind natürlich anonym. Sonst hätte
sich der Verfasser nicht die Mühe mit den aufgeklebten Buchstaben machen
müssen.«
    »Ich meine, wie haben die Drohbriefe
Yadira erreicht?«, korrigierte Mendelski seine Frage. Aus dem Augenwinkel
bemerkte er, dass Maike verstohlen grinste.
    »Den Ersten fand sie am helllichten Tag
auf dem Gepäckträger ihres Fahrrads, am Freibad, irgendwann im Juli. Der Zweite
steckte in ihrem Rucksack, einfach so, im August. Sie hat ihn entdeckt, als sie
von einem Einkaufsbummel in Celle nach Hause kam. Der Dritte lag ganz offen im
Briefkasten der Kreinbrinks, im September, an einem Montagmittag. Also vor
knapp vier Wochen.«
    »Wer wusste alles von den Zetteln?«
    »Nur Yadira, sonst niemand – außer
mir.« Finn Braukmann wirkte verlegen, aber irgendwie auch ein wenig stolz. »Sie
hat mir vertraut. Anscheinend als Einzigem. Deshalb hat sie mich eingeweiht.«
    »Warum ist sie damit nicht zu ihrer
Gastfamilie, den Kreinbrinks, gegangen?«
    »Das habe ich sie auch gefragt. Aber sie wollte
den Kreinbrinks, denen sie so viel zu verdanken hatte, keinen unnötigen Ärger
bereiten. Außerdem hat sie immer wieder versucht, die ganze Geschichte
herunterzuspielen. Da macht einer einen üblen Scherz, hat sie gesagt. Wer ahnt
denn …« Er musste schlucken und brach den Satz ab.
    Mendelski nickte ihm aufmunternd zu. »Hat
sie Ihnen gegenüber einen Verdacht geäußert?«, fragte er.
    »Nicht direkt.«
    »Das heißt?«
    »Ich glaube, auch, wenn sie es nie offen
ausgesprochen hat, dass sie den Vater ihrer ersten Gastfamilie in Betracht zog.
Matthias Stadler aus Eldingen, der hat sie belästigt. Vor dem hatte sie Angst.«
    »Den haben wir schon auf der Liste«, ließ
Maike Schnur verlauten, die dabei recht grimmig dreinschaute.
    Mendelski warf ihr einen tadelnden Blick
zu und wechselte rasch das Thema. »Herr Braukmann, hatte Yadira eine Idee, was
die Zettel bedeuten?«, fragte er.
    »Aber klar doch. Ganz so schlecht, wie Sie
denken, war ihr Deutsch nicht.«
    »Das meine ich nicht.« Er beugte sich über
den Tisch, um die drei Zettel ein weiteres Mal zu begutachten. »Es geht ums
Detail: ›Verschwinde‹ und ›Allerletzte Warnung‹ ist relativ eindeutig. Doch wer
ist ›Dora K.‹? Und was hat es mit diesem altertümlichen Reim auf sich?
Haben Sie da vielleicht eine Idee?«
    »Sie sind nicht aus Eschede«, erwiderte
Finn mit einer Spur Häme. »Dora K. kennt hier jedes Kind. Und auch den
Reim.«
    »Bitte?«
    Finn Braukmann sprang auf. »Haben Sie ‘ne
halbe Stunde Zeit? – Okay, dann kommen Sie, ich zeig Ihnen was.«
    * * *
    Feiner, herbstlich kühler
Sprühregen ging auf das abendliche Eschede nieder, als sich die Straßenlaternen
automatisch einschalteten. Die Kirchturmuhr zeigte fünf vor halb sieben.
    Karl-Heinz Jagau hielt vor dem kleinen
Einfamilienhaus in der Nähe des Friedhofs und ließ Motor und Scheinwerfer eingeschaltet.
Durch das eine Handbreit geöffnete Seitenfenster

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