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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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Häufchen Elend, den
großen, schlaksigen Körper vornübergebeugt wie zu einem überdimensionalen C.
Die strähnigen, tiefschwarz gefärbten Haare verdeckten sein halbes Gesicht,
aber nicht die traurig dreinschauenden Augen. Mit seinen feingliedrigen Händen,
an deren Mittelfingern er jeweils einen Ring trug, umklammerte er die Knie.
    Neben ihm auf dem Tisch lag ein
abgegriffener brauner DIN-A 4-Umschlag ohne Beschriftung.
    »Sie sind also Finn Braukmann«, begann
Mendelski, nachdem Maike und er sich vorgestellt hatten. »Sie wollten uns
sprechen?«
    »Ja.« Der junge Mann richtete sich ein
wenig auf und strich sich die Haare aus der Stirn, bevor er bedächtig und leise
fortfuhr: »Es geht um die Tote im Wald … um Yadira Martinéz.«
    »Wir hören.«
    »Ich kannte sie recht gut. Sie gehörte zu
unserer Clique.« Er stockte kurz, als er sah, dass Maike mitschrieb. »Und
gestern Abend hatten wir wieder unseren Spanisch-Abend.«
    »Und?«
    »Sie wissen das bestimmt bereits. Kai
Kreinbrink hat Ihnen doch sicher schon von gestern Abend erzählt?«
    »Ja, hat er. Aber erzählen Sie uns ruhig
Ihre Version.«
    »Na, dann wissen Sie schon, was wir den
Abend über gemacht haben, und dass ich mit Hanno und Mira so gegen halb eins
gegangen bin.«
    »Sind Sie direkt nach Hause gegangen?«
    Der Junge überlegte kurz, nickte dann
aber. »Ja, ich musste heute zum Zivildienst wieder früh raus.«
    »Wo leisten Sie Ihren Zivildienst?«
    »In Dalle. In der WLG , einer Werk- und Lebensgemeinschaft für Behinderte.«
    »Wann genau waren Sie letzte Nacht zu
Hause?«
    »So gegen eins.«
    »Gibt es dafür Zeugen?«
    »Nein, meine Eltern und Geschwister
schliefen bereits.«
    Mendelski beugte sich vor, stützte die
Ellenbogen vor sich auf den Tisch und sah den jungen Mann direkt an. »Haben Sie
letzte Nacht irgendeine Beobachtung gemacht?«, fragte er. »Ist Ihnen an Yadira
etwas Besonderes aufgefallen? Haben Sie vielleicht ein Auto vor dem Haus der
Kreinbrinks gesehen, eins, das da nicht hingehörte? Oder ist Ihnen jemand auf
der Straße begegnet – jemand, der sich verdächtig verhielt?«
    Finn Braukmann schüttelte langsam den
Kopf. »Nein, nichts. Gestern Abend … also, da war eigentlich alles wie
immer.«
    Maike schaute verwundert von ihrem
Notizblock auf. Als sie merkte, dass sich Mendelski mit der nächsten Frage Zeit
ließ, fragte sie: »Und warum wollten Sie uns so dringend sprechen?«
    »Deswegen«, erwiderte der junge Mann und
tippte mit dem Zeigefinger auf den Briefumschlag neben sich.
    * * *
    »Bist du dir ganz sicher?«,
presste er wütend hervor.
    »Wenn ich’s dir sage«, zischte sie. »Jetzt
lass mich endlich los.«
    Karl-Heinz Jagau hielt ihre Handgelenke
weiterhin umklammert und beugte sich weit vor. Ihre Nasenspitzen berührten sich
fast.
    »Mensch, Kalle, du tust mir weh!« Sie
wandte ihren Kopf zur Seite.
    »Wo soll ich sie sonst herhaben?«, fauchte
er, während er sie zurückstieß. Ihr Bademantel öffnete sich, und er sah, dass
sie darunter nackt war.
    »Weiß ich doch nicht!«, fauchte sie
zurück. »Wer weiß, bei welchem Flittchen du heute Nacht noch abgestiegen bist.«
    Die Ohrfeige war so hart, dass sie zu
Boden ging. Im Fallen riss sie einen Stuhl um, der polternd neben ihr auf dem
harten Fliesenboden landete.
    »Du Aas!«, giftete er außer sich.
    Die Hände schützend um den Kopf gelegt,
blieb sie vorsichtshalber einige Sekunden regungslos liegen. Sie kannte Kalle
und seine Wutausbrüche und wollte ihn nicht weiter provozieren.
    »Das wollt ich nicht«, murmelte Jagau denn
auch unvermittelt. Überrascht über seine heftige Reaktion – er hatte doch
gar nicht getrunken – bückte er sich zu ihr hinab und zupfte unbeholfen an
ihrem Bademantel.
    »Doris, komm … tut mir leid.«
    »Scheiße«, jammerte sie. »Ich blute.«
    Er half ihr auf die Beine.
    »Jetzt sind wir quitt.« Er grinste
gequält, während er auf die drei Schrammen auf seiner Wange deutete.
    Sie presste ein Papiertaschentuch unter
ihre blutende Nase und schüttelte den Kopf. »Ich war das nicht«, näselte sie.
»Warum sollte ich denn so was machen?«
    »Was weiß ich.« Er zuckte mit den
Schultern. »Wir waren doch alle drei total stramm. Vielleicht gab’s Zoff wegen
irgend’ner Kleinigkeit.«
    »Ich weiß nicht mehr viel von letzter
Nacht.« Sie hielt das Taschentuch jetzt in der Hand, die Blutung hatte
aufgehört. »Nur … ihr beiden, Piet und du, ihr seid doch noch mal los,
Zigaretten holen.«
    Das wirkte, als hätte ihm

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