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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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drang Zigarettenqualm nach
draußen.
    Bei Piet war alles dunkel.
    Verdammter Mist, dachte Jagau. Ist der
etwa doch zur Arbeit gegangen, obwohl er eigentlich krankfeiern wollte? Seine
Spätschicht endet erst weit nach Mitternacht, also werde ich nicht vor morgen
früh mit ihm sprechen können. Er schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad.
»Scheiße!«, entfuhr es ihm. »Diese Ungewissheit macht mich kirre.«
    Er schnippte die Zigarettenkippe durch den
Fensterspalt und legte den ersten Gang ein. Mit durchgetretenem Gaspedal
startete er den Wagen. »Auf zum Schüsseltreiben«, murmelte er. »Da werd ich
bestimmt schon vermisst.«
    Als er mit quietschenden Reifen in die
Südstraße einbog, rammte er um Haaresbreite ein entgegenkommendes Auto, das in
der kleinen Straße Richtung Johannis-Kirche verschwand. Unwillkürlich trat er
auf die Bremse.
    Den VW  Passat
kannte er doch. Dem hatte er heute früh bei der Jagd einen Parkplatz
zugewiesen. Eindeutig: Das war der Wagen dieses Kriminalkommissars aus Celle.
    »Was wollen die denn hier?«, fragte er
sich, während er vorschriftswidrig ein Stück zurücksetzte. Als der hölzerne
Kirchturm in seinem Rückspiegel auftauchte, stoppte er. Direkt davor parkte der
Passat, dem gerade drei Personen entstiegen.
    Trotz der einsetzenden Dunkelheit erkannte
er den Kommissar, der noch immer seinen Lodenmantel und den Hut von der Jagd
heute Morgen trug, dessen junge Kollegin – wie so ein fesches Ding nur bei
den Bullen arbeiten konnte – und einen jungen Burschen mit Lederjacke.
    »Braukmanns Finn?« Karl-Heinz Jagau
kratzte sich irritiert am Kopf. »Was wollen die denn von dem?«
    In diesem Moment klingelte sein Handy in
der Mittelkonsole.
    »Bin schon unterwegs«, knurrte er, nachdem
er den Namen des Anrufers auf dem Display erkannt hatte. Er drückte die grüne
Taste und meldete sich mit Namen. »Ja, tut mir leid. Wurde in Eschede
aufgehalten. Bin aber in fünf Minuten da.«
    Er sah noch, wie die drei Gestalten
zwischen den alten Grabsteinen auf dem Kirchberg verschwanden, dann gab er
wieder Gas.
    * * *
    »Hier habe ich auch mit Yadira
gestanden«, erklärte Finn Braukmann leise, während er den Kragen seiner
Lederjacke hochschlug. Der kalte Nieselregen war ziemlich ungemütlich. »Und ihr
die grausige Geschichte von damals erzählt.«
    Mendelski ließ den Strahl seiner
Taschenlampe über die verwitterte Oberfläche des Grabsteins wandern. Dann las
er langsam und laut vor, was da in altertümlicher Schrift geschrieben stand.
     
    HIER RUHT IN GOTT
    DORA KLAGES
    GEB. ZU HAMELN 22. MÄRZ 1873
    ERMORDET, BERAUBT
    IM WALDE BEI ESCHEDE
    AM 13. AUGUST 1890
    AUFGEFUNDEN UND BEGRABEN
    AM 21. MÄRZ 1892
    Einen Moment lang herrschte
Stille. Maike Schnur, bibbernd vor Kälte und bestrebt, so schnell wie möglich
wieder ins warme und trockene Auto zu kommen, ergriff die Initiative.
    »Dora K. ist also Dora Klages.« Sie
musste niesen. »Auch sie wurde ermordet. Mit gerade mal siebzehn Jahren.«
    »Genau«, bestätigte Finn Braukmann. »Vor
über hundert Jahren. Es war ein Raubmord. Und nun schauen Sie sich mal die
Rückseite an.«
    Nachdem sie um den Grabstein herumgegangen
waren, leuchtete Mendelski wieder mit seiner Taschenlampe auf die verwitterten
Buchstaben.
     
    Unter kalten Mörderhänden
    Musste sie ihr Leben enden
    Ein traurig Los war ihr beschieden
    Nun ruht sie fest in Gottes Frieden
    »Exakt der Text des zweiten
Drohbriefes«, bemerkte Maike. Ihr jagte jedoch weniger der Grusel, als vielmehr
die Kälte einen Schauer nach dem andern über den Rücken.
    »Unser Buchstabenkleber drohte also, ob
ernst gemeint oder nicht, ganz offen mit Mord.«
    »Wie bitte?«, brauste Finn auf. »Ernst
gemeint oder nicht? Ist Yadira nun ermordet worden, oder was?«
    »Moment, Moment!« Mendelski versuchte, den
Jungen zu beruhigen. »Erstens können wir einen Unfall noch nicht ausschließen.
Dazu brauchen wir das Ergebnis der Obduktion. Zweitens muss der Verfasser
dieser Briefe, also jemand, der mit Mord droht, nicht zwangsläufig auch der
Täter sein.«
    »Ach, Sie denken wohl: Hunde, die bellen,
beißen nicht.« Finn winkte ab.
    »Ich meine gar nichts.« Mendelski blieb
die Ruhe selbst. »Natürlich haben Sie recht, wenn Sie den Drohbriefen eine
erhebliche Bedeutung beimessen. Das tun wir auch. Deshalb wandern sie zur
weiteren Untersuchung noch heute Nacht ins Labor. Was wir dann noch bräuchten,
wären Ihre Fingerabdrücke.«
    »Meine Fingerabdrücke? Wieso das denn? Ach
so, wegen …

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