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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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jetzt verstehe ich.«
    »Entschuldigung«, warf Maike ein. »Können
wir vielleicht alles Weitere im warmen Auto besprechen? Ich friere wie ein
Schneider.«
    * * *
    »Ach, wir zwei kennen uns doch
schon!« Ellen Vogelsang sah von ihrem Notebook auf. Ihr gegenüber hatte –
zum wiederholten Mal in den letzten zwei Stunden – ein grünberockter Mann
Platz genommen, um mehr oder weniger freiwillig Auskunft über den heutigen Tag
und den Leichenfund zu geben.
    Der Mann, der jetzt vor ihr saß, war Mitte
fünfzig, untersetzt, relativ klein, hatte schütteres farbloses Haar und trug
eine Nickelbrille. Seine Stirn glänzte vor Schweiß, was der stickig-warmen
Kneipenluft, dem deftigen Essen und wohl auch den dazugehörigen alkoholischen
Getränken zuzuschreiben war, die im benachbarten großen Saal, der sogenannten
Diele, zum Schüsseltreiben gereicht wurden.
    Oder gibt es da noch etwas anderes, was
den guten Mann zum Schwitzen bringt?, fragte sich Ellen Vogelsang.
    »Sie erinnern sich? An der Straße vorhin«,
sagte sie augenzwinkernd und setzte ein um Vertrauen werbendes Lächeln auf.
Dann las sie Namen und Wohnort von ihrer Liste ab. »Pagel, Joachim Pagel,
wohnhaft in Eschede, richtig?«
    »Das stimmt«, erwiderte Pagel, der
unsicher ihrem Blick auswich. »Vierundfünfzig Jahre alt, ledig, Lehrer an der HRS , an der Haupt- und Realschule
Eschede …«
    »Das reicht zunächst«, unterbrach sie ihn,
lehnte sich zurück und gähnte ungeniert. »Zumindest, was die Personalien
betrifft. Sie sind der Letzte auf meiner Liste für heute. Wird auch langsam
Zeit für den Feierabend.«
    In Wirklichkeit war sie hellwach. Es stand
außer Zweifel, dass die Befragung von Joachim Pagel für sie heute die
Wichtigste war. Die anderen Gespräche, die sie geführt hatte, waren nicht
besonders ergiebig gewesen.
    »Meinetwegen können wir es kurz machen«,
schlug Pagel vor. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht viel helfen.« Ihm war
anzusehen, dass er sich überhaupt nicht wohlfühlte in seiner Haut – und
dass er so schnell wie möglich zurück in den Saal zu seinen Jagdkumpanen
wollte.
    »Sie meinen also, dass Sie uns gar nichts
über Yadira Martinéz sagen können?«
    »Genauso ist es.«
    »Was habe ich denn dann vorhin
unfreiwillig auf dem Parkplatz gehört?« Ihre Stimme wurde schärfer.
    »Was denn?«, fragte er schnippisch wie ein
beleidigtes Kind. Er rutschte mit seinem Stuhl ein Stück zurück und
verschränkte wie zur Abwehr die Arme vor dem Bauch.
    »Das wissen Sie doch genau«, gab sie
zurück. »Sie sprachen mit Ihrem Jagdkumpan Horst über Yadira. Über das
Schützenfest, den für Sie so peinlichen Tanz mit ihr, das Gespött der Schüler
und so weiter.«
    »Dann wissen Sie ja schon alles«,
entgegnete er trotzig. »Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
    Ellen Vogelsang atmete erst mal tief
durch, bevor sie lospolterte: »Schön. Dann lade ich Sie eben morgen um vierzehn
Uhr zur Vernehmung aufs Präsidium nach Celle vor. Ganz offiziell. Wenn Sie
unbedingt den Geheimniskrämer spielen wollen: Wir können auch anders. Es geht
hier um Mord, werter Herr Pagel, nicht um irgendwelche Albereien unter pubertierenden
Schülern.«
    »Dann bringe ich aber meinen Anwalt mit«,
wetterte er zurück. »Der wird Ihnen schon Kontra geben.«
    »Nur zu, das steht Ihnen frei.«
    Wutschnaubend erhob er sich und verließ
den Raum.
    * * *
    »Wissen Sie noch mehr über den
Mord an Dora Klages?«, fragte Maike Schnur, nachdem sie es sich auf der
Rückbank bequem gemacht hatte. »Wie ist sie umgekommen?«
    Sie hatten sich ins Auto zurückgezogen, um
vor dem Nieselregen und dem kalten Wind geschützt zu sein. Mendelski zündete
den Motor, ließ die Scheinwerfer aber noch ausgeschaltet und machte auch sonst
keine Anstalten loszufahren. Maike, in der Regel allergisch gegenüber
Autofahrern, die verschwenderisch mit Ressourcen umgingen und unnötig die Luft
verpesteten, hielt wegen ihrer Fröstelei ausnahmsweise einmal die Klappe.
    »Eigentlich kennt jeder in Eschede die
traurige Geschichte der Dora Klages«, antwortete Finn Braukmann, der vorn auf
dem Beifahrersitz saß. »Mehr oder weniger. Als ich von Yadira die Drohbriefe
bekam, interessierte mich die Sache natürlich besonders. Und weil ich vieles
schon wieder vergessen hatte, habe ich mich im Internet schlaugemacht. Ich habe
ihr aber nichts davon erzählt, verstehen Sie, damit sie sich nicht noch mehr
Sorgen macht.« Er schluckte, fasste sich aber schnell wieder.
    »Also«, fuhr er fort,

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