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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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Falls sich wider
Erwarten ein fremdenfeindlich motivierter Anfangsverdacht ergibt, möchte ich
umgehend unterrichtet werden. Denn wenn das nach außen dringt, dann geht’s hier
rund.« Er erhob sich von seinem Stuhl und trat ans Fenster.
    Die Kollegen wussten, was nun folgen
würde: Ihr Chef, dem ein Elefantengedächtnis nachgesagt wurde, würde jetzt ein
kurzes, prägnantes, aber auch recht eigenwilliges Resümee ziehen. Lässig an die
Fensterbank gelehnt, begann er.
    »Fassen wir zusammen: Yadira Martinéz,
weiblich, achtzehnjährig, gebürtig aus der Dominikanischen Republik, seit einem
Dreivierteljahr in Deutschland, seit vier Monaten wohnhaft bei der Familie
Kreinbrink in Eschede, kam vorgestern Nacht – wahrscheinlich irgendwann
zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens in der Früh – durch Ertrinken an
einem bisher unbekannten Ort ums Leben. Hämatome an Kopf, Schultern und Händen
geben Rätsel auf; sie können sowohl von einem Unfall herrühren als auch in
vorsätzlicher Gewalteinwirkung ihren Ursprung haben. Dasselbe gilt für das
leicht lädierte Amulett, das die Tote um den Hals trug. Es ist also alles
möglich: ein bedauernswerter Unfall, Totschlag oder vorsätzlicher Mord. Selbst
einen Suizid kann man nicht ausschließen. Die Letzten, die das Opfer vor dessen
Ableben gesehen haben, sind bis dato Kai Kreinbrink, Finn Braukmann, Hanno
Stucke und Mira Köhne – alles Freunde von Yadira. Sie waren in der
Todesnacht zusammen, haben Spanisch gelernt und noch ein wenig gefeiert. Um
Mitternacht sind sie auseinandergegangen. Das Opfer hat sich angeblich in sein
Zimmer zurückgezogen. Gestern, am frühen Nachmittag, wird dann Yadiras Leiche
während einer Drückjagd im Wald bei Eschede gefunden.«
    Steigenberger stöhnte auf: »Ausgerechnet
im Revier von Mark von Bartling. Die Tote lag, wie für eine Trauerfeier
sorgfältig aufgebahrt, auf einem Streckenplatz der Jäger. Keiner hat gesehen,
wie und wann die Leiche dorthin gekommen ist. Die einzig nennenswerte Spur ist
ein in den Erdboden gescharrtes mysteriöses Zeichen, ein Z-ähnliches Gebilde.
Die Befragungen der Gastfamilie und der an der Drückjagd beteiligten Jäger
ergeben zunächst keine heiße Spur. Erwähnenswert ist lediglich ein gewisser
Joachim Pagel, Lehrer aus Eschede, Teilnehmer an der Jagd, der sich merkwürdig
benahm und über die Tote mehr zu wissen scheint, als er zugibt. Frau Vogelsang
wird sich heute Nachmittag um diesen Herrn kümmern.«
    »Darauf können Sie Gift nehmen«, murmelte
Ellen Vogelsang.
    »Dann unsere bisher verheißungsvollste
Spur: die Drohbriefe, die uns durch Finn Braukmann übergeben wurden. Sie weisen
darauf hin, dass Yadira Martinéz – eigentlich ein sonniges Gemüt und
allseits beliebt – nicht nur Freunde hatte. Ein erster Hinweis seitens
Finn Braukmann geht in Richtung Eldingen, wo die erste Gastfamilie des
ehemaligen Au-pair-Mädchens lebt. Genauer gesagt, handelt es sich um das
Familienoberhaupt Matthias Stadler, der das Mädchen belästigt haben soll. Ich
denke, hier sollten Sie zuerst ansetzen.«
    Die letzten Worte hatte Steigenberger an
Mendelski gerichtet, den Leiter des Fachkommissariats 1, der entspannt
zurückgelehnt und regungslos auf seinem Stuhl saß und mit seinen Gedanken für
einen Augenblick ganz woanders zu weilen schien.
    »Herr Mendelski!« Steigenberger hatte sich
von der Fensterbank gelöst und stand stocksteif im Raum.
    »Bin ganz Ihrer Meinung«, antwortete
Mendelski wie aus der Pistole geschossen, aber ohne sich groß zu rühren. »Frau
Schnur und ich werden uns sofort auf den Weg nach Eldingen machen. Den Rest
meiner Truppe habe ich in Gedanken auch schon verplant. Wenn Sie weiter keine
Fragen haben, würden wir gern in unsere Büros zurückgehen und weitermachen.«
    Der Kriminaldirektor hatte keine weiteren
Fragen.
    * * *
    In ganz Eschede war an diesem
Freitagvormittag keine Tageszeitung mehr aufzutreiben. Weder Supermärkte,
Kioske noch die Tankstelle hatten auch nur eine einzige »Cellesche Zeitung« oder
»Bild« übrig.
    »Da kommst du aber zwei Stunden zu spät«,
sagte der Kioskbetreiber, ein alter Mann mit Glasauge und Viertagebart. »Die
waren alle schon um acht weg. Kein Wunder bei der Sensation: Hübsches schwarzes
Mädchen bei der Jagd tot aufgefunden. Wenn das nicht …«
    »Herr Schmittke!« Finn Braukmann musste
sich zusammenreißen, um nicht laut loszuschreien. Seine Nerven lagen blank, da
er die halbe Nacht nicht geschlafen hatte und erst gegen fünf Uhr in

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