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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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während er den weißen Klingelknopf über dem weißen
Namensschild am weißen Steinportal betätigte. Doch im Haus blieb es still.
    »Da können Sie lange klingeln«, hörten sie
eine tiefe, weibliche Stimme hinter sich rufen.
    Sie drehten sich um und entdeckten eine
dunkelhaarige Frau mittleren Alters, die aus dem geöffneten Fenster im ersten
Stock des gegenüberliegenden Hauses schaute. Sie beugte sich mit ihrer
ausladenden Oberweite weit über die Federbetten, die zum Lüften auf der
Fensterbank lagen.
    »Ist Herr Matthias Stadler nicht daheim?«,
fragte Mendelski, nachdem er um das Auto herumgegangen war. »Nach unseren
Kenntnissen ist er selbstständig und hat sein Büro hier im Haus.«
    »Die Stadlers sind verreist«, erwiderte
die Frau. »Schon über eine Woche.«
    »Hm.« Mendelski schaute etwas ratlos zu
seiner Kollegin.
    »Die ganze Familie?«, fragte Maike.
    »Ja. Vater, Mutter, die beiden Kleinen und
das neue Kindermädchen.«
    »Stadlers haben ein neues
Au-pair-Mädchen?«
    »Wenn man so ein Kindermädchen nennt, dann
ja.«
    »Wohin sind sie denn?«, fragte Mendelski.
    »Auf die Kanaren. In irgend so ‘n teuren
Club. Robinson, glaube ich.«
    »Seit einer Woche, sagten Sie?«
    »Genau. Oder sind es jetzt schon zehn
Tage?« Sie rückte ihren Busen zurecht. »Auch egal. Sie kommen jedenfalls erst
nächsten Mittwoch zurück.«
    »Okay, danke für die Information.«
    »Gibt es was Dringendes? Kann ich was ausrichten?«
    »Nein, danke.« Mendelski nickte freundlich
zu der Frau hinauf. »Wir kommen ein anderes Mal wieder.«
    »Die Tour hätten wir uns sparen können«,
maulte Maike, nachdem sie wieder im Auto saßen. »Ein Anruf bei den Kollegen
hier in Eldingen hätte genügt, und wir wären genauso schlau gewesen.«
    »Ach ja?«, erwiderte Mendelski, der sich
über die Einstellung seiner jungen Mitstreiterin ärgerte. »Und was wäre
gewesen, wenn die Stadlers zu Hause gewesen wären? Dann hätte der Eldinger
Kollege zu ihnen gesagt: ›Warten Sie bitte schön, da kommt gleich jemand aus
Celle, von der Mordkommission, und befragt Sie zu Yadira Martinéz. Die ist
nämlich gestern …‹«
    »Schon gut, schon gut«, fuhr Maike
dazwischen. Sie war sichtlich genervt. »Habe verstanden. Als Ergebnis unseres
Ausflugs in die Pampa können wir unseren ersten und bisher einzigen
Verdächtigen jedenfalls von der Liste streichen.«
    »Wir werden überprüfen lassen, ob Stadler
wirklich auf den Kanaren weilt. Wenn ja, hat er tatsächlich ein wasserdichtes
Alibi.«
    »Wasserdichtes Alibi bei einer
Wasserleiche«, leierte Maike herunter. »Klingt gut …«
    Mendelski blieb ernst. »Als Verfasser der
Drohbriefe kommt er aber weiterhin in Betracht.« Er hantierte mit einem
Faltplan, den er im Handschuhfach gefunden hatte. »Noch mal: Wenn tatsächlich
ein Fremdverschulden zum Tod von Yadira Martinéz geführt haben sollte, müssen
die Drohbriefe nicht zwangsläufig mit der eigentlichen Tat in Zusammenhang
stehen.«
    »Naheliegend ist es aber schon.« Maike
grübelte. »Wie hieß es doch gleich: ›Unter kalten Mörderhänden musste sie ihr
Leben enden‹. Klingt grausig – und brutal.«
    »Bringt uns jetzt aber nicht richtig
weiter.« Mendelski schien gefunden zu haben, was er suchte. »Meinetwegen kannst
du losfahren.«
    »Wohin jetzt?«
    »Nach Eschede.« Er ließ seinen
Sicherheitsgurt einschnappen. »Zu den Kreinbrinks.«
    * * *
    Unter der Wucht der Spaltaxt
zerbarst der Eichenklotz in zwei Teile. Obwohl es sich um abgelagertes und
besonders zähes Holz handelte, benötigte Rolf Wiegand nur einen einzigen
Schlag. Die beiden nahezu gleich großen Holzscheite flogen wie Geschosse in
hohen Bögen nach rechts und links.
    Eines der beiden Holzstücke landete in den
Speichen von Finn Braukmanns Fahrrad, der gerade um die Ecke des Schuppens
geradelt kam. Es warf ihn samt Fahrrad zu Boden.
    »Ka-ka-kannst du nicht be-be-besser
aufpassen?«, stotterte der Gärtner mit weit aufgerissenen Augen. Sein Gesicht
war vor Anstrengung purpurrot angelaufen und von schweißverklebten Haarsträhnen
eingerahmt. Der massige Mann, bekleidet mit einem schwarz-grün karierten
Kanadahemd, brauner Latzhose und schwarzen Sicherheitsstiefeln, beugte sich
über den Jungen, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. »Da-da-das ist doch
gefährlich hier«, radebrechte er. Dabei deutete er auf den Hackeklotz, in den
die Spaltaxt tief eingedrungen war.
    »Entschuldigung, Herr Wiegand«, sagte Finn
besänftigend, nachdem er sein Fahrrad aufgerichtet

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