Wolfsfeder
Stock untergebracht
war, versammelt. Sogar der Chef des Hauses war dieses Mal überpünktlich. Hans
Steigenberger, Kriminaldirektor und Leiter der Polizeiinspektion Celle, wie
stets um diese Zeit mit einem Stoß aktueller Tageszeitungen unter dem Arm,
begrüßte Ellen Vogelsang, Maike Schnur, Heiko Strunz und Jo Kleinschmidt per
Handschlag.
Nur einer fehlte noch: Robert Mendelski.
Das war ungewöhnlich, denn der Kriminalhauptkommissar war eigentlich ein
Frühaufsteher und meistens einer der Ersten im Amt. Doch an diesem Morgen traf
er erst fünf Minuten nach neun und vor Anstrengung wie eine alte
Dampflokomotive schnaufend im Besprechungszimmer ein.
»Sorry«, sagte er ächzend in Richtung
Steigenberger. »Das Eiskratzen hat so lange gedauert. Wer kann denn ahnen, dass
es trotz allseits beschworener Erderwärmung im Oktober plötzlich Frost gibt?«
»Ich dachte, du hast ‘nen Carport«, ließ
Maike Schnur treuherzig vernehmen.
Mendelski verdrehte die Augen. »Dass
ausgerechnet du mir in den Rücken fallen musst!« Er seufzte. »Okay, okay, ich
geb’s zu, das war geschwindelt. Es ist bei mir gestern recht spät geworden. Wir
hatten noch Besuch.«
Erst gegen eins hatte er ins Bett
gefunden, denn mit Ana und ihrem Ajub war es ausgesprochen nett gewesen. Aus
den angepeilten zehn Minuten waren in null Komma nichts hundert geworden.
Carmen hatte um Mitternacht als Überraschung noch Tapas aufgetischt –
insbesondere für ihren völlig ausgehungerten Mann, der vor lauter Arbeit das
Schüsseltreiben verpasst und seit Mittag nichts zu sich genommen hatte.
»Dann können wir ja loslegen«, sagte
Steigenberger, während er am Tisch Platz nahm. »Zunächst zu den Medien.« Er
hielt einige Tageszeitungen in die Luft. »Die Presse war mal wieder recht
flott. Deshalb hatte ich heute Morgen auch schon einen Anruf aus Hamburg. Vom
dort ansässigen Generalkonsulat der Dominikanischen Republik. Sie wollen
umgehend eine Stellungnahme und sagten, sie hätten uns auch schon ein Fax
geschickt …« Fragend schaute er in die Runde.
»Von einem Fax weiß ich nichts, aber die
Stellungnahme sollen sie kriegen«, erwiderte Mendelski. Er hatte seine
Aktentasche auf den Knien und fingerte einen Schreibblock hervor. »Immerhin
bleibt es uns in diesem Fall erspart, der Familie die Todesnachricht zu
überbringen.«
Nachdem er seine Aktentasche an eines der
Tischbeine gelehnt hatte, begann er mit seinem Bericht. »Fassen wir zusammen:
Im Wald bei Eschede ist gestern Nachmittag gegen vierzehn Uhr die Leiche von
Yadira Martinéz, einer achtzehnjährigen farbigen Frau aus der Dominikanischen
Republik, gefunden worden. Finder war Karl-Heinz Jagau, wohnhaft in Eschede,
Forstwirt und Jagdgehilfe beim allseits bekannten Mark von Bartling, in dessen
Revier die Leiche gefunden wurde. Und zwar während einer Drückjagd, an der ich
durch Zufall als Gast teilnahm. Der Leichnam, gänzlich bekleidet und äußerlich
unversehrt, lag sorgfältig aufgebahrt auf dem Streckenplatz und war, bis auf
den Kopf, mit Fichtenzweigen bedeckt. – Jo, hast du die Fotos?«
Jo Kleinschmidt zog einen Packen
großformatiger Fotos aus einem Umschlag und breitete sie vor Steigenberger auf
dem Tisch aus.
»Mein Gott, ist die hübsch«, entfuhr es
dem Kriminaldirektor. »Und noch so jung. Wie sie da so friedlich liegt, möchte
man meinen, sie schläft.«
»Wohl wahr.« Mendelski zog eines der
Porträts zu sich heran. »Wer immer sie dort abgelegt hat, gab sich jedenfalls
alle Mühe, sie ansprechend aussehen zu lassen. Auch noch im Tod.«
»Darüber später mehr«, schlug
Steigenberger vor. »Fahren Sie bitte fort.«
Mendelski schlug eine Seite in seinem
Block um. »Karl-Heinz Jagau hat über Handy von Bartling informiert, der
umgehend die Gesellschaftsjagd abbrach und mich – als einzigen Polizisten
auf der Gästeliste – zum Fundort der Leiche beorderte. Von dort aus habe
ich Celle und die Polizeistation Eschede informiert und weitere Routineschritte
wie das Absperren des Fundortes veranlasst. Eine halbe Stunde später sind dann
die Kollegen und die Pathologin eingetroffen. Erste Untersuchungen von Frau
Dr. Grote vor Ort ergaben keine eindeutigen Hinweise auf die Todesursache.
Todesfolge aufgrund äußerer Gewalteinwirkung konnte sie aber schon
ausschließen. Sie hat außerdem festgestellt, dass das Mädchen längere Zeit im
Wasser gelegen haben muss. Zu einer Wasserleiche würden auch die hämatomartigen
Flecken an exponierten Körperstellen wie Handrücken und
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