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Wolfsfeder

Wolfsfeder

Titel: Wolfsfeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Oehlschläger
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Erst nach wiederholten Versuchen
und mehrmaligem Klopfen öffnete sich die Tür einen Spaltbreit.
    »Bist du nicht ganz dicht?«, erklang eine
heisere Stimme aus dem dunklen Flur. »Du weißt doch …«
    »Lass mich rein«, unterbrach ihn Jagau
ohne großes Federlesen und drückte mit beiden Händen gegen die Tür. »Hab keine
Zeit. Und glaub mir, es ist enorm wichtig.«
    »Mann!« Nur widerwillig machte der
Hausherr Platz. Er war noch im Schlafanzug und sah auch sonst recht verpennt
aus. »Ich hoffe, du hast einen verdammt triftigen Grund«, schnauzte er.
    Der Eindringling stiefelte schnurstracks
in die Küche und stellte sich am Fenster, wo am meisten Licht war, in Positur.
Nach einer kleinen Ewigkeit erschien auch Zimmermann; er hatte sich inzwischen
einen abgewetzten Bademantel übergeworfen.
    »Woher hab ich das?«, fragte Jagau ohne
große Vorrede. Er deutete auf die drei Schrammen in seinem Gesicht. »Vorletzte
Nacht, erinnerst du dich?«
    Zimmermann bekam Augen wie Bauklötze.
»Deswegen weckst du mich? Das …«
    Weiter kam er nicht. Der Forstwirt hatte
ihn am Kragen des Bademantels gepackt und drückte ihn kurzerhand mit dem Rücken
gegen den Küchenschrank. Die Tassen darin klirrten vernehmlich.
    »Es ist mir bitterernst, Piet«, fauchte
Jagau. Seine Nasenspitze war nur wenige Zentimeter von der von Piet Zimmermann
entfernt.
    »Okay, okay! Mensch, Kalle, was ist los
mit dir?«
    Jagau besann sich. Er ließ seinen
Saufkumpanen los. »Setz dich«, sagte er. »Und erzähl.«
    »Ich brauch erst ‘nen Kaffee, sonst läuft
gar nichts.«
    Der Kaffee war so heiß, dass
sich Piet Zimmermann die Zunge verbrannte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht
stellte er den Becher zurück auf den Küchentisch und nahm den Teelöffel zur
Hand. Er verabreichte sich den Muntermacher in kleinen Portionen.
    »Wir drei sind, nachdem der Whisky alle
war, zusammen zu Doris. Gelaufen, versteht sich, oder besser getorkelt.« Er
verwischte die Kaffeetropfen, die er auf der Plastiktischdecke mit
Blümchenmuster hinterlassen hatte, mit bloßer Hand, danach trocknete er die
Finger ungeniert an seinem Bademantel. »Da haben wir dann weitergemacht. Mit
irgend so ‘nem billigen Rotweinfusel.«
    »Und?« Karl-Heinz Jagau schaute ungeduldig
auf die Küchenuhr über dem Kühlschrank. Es war bereits Viertel vor zehn.
    »Irgendwann waren die Fluppen alle. Da
sind wir beide dann zusammen los.«
    »Und vorher ist nichts passiert. Ich
meine, mit meiner Backe? Mit Doris?«
    »Nö, nicht dass ich wüsste. Du hast zwar
ganz schön heftig mit ihr rumgemacht, aber an Gezicke von ihr kann ich mich
nicht erinnern.«
    »Wir sind also zu Fuß zum
Zigarettenautomaten. Wie ging’s dann weiter?«
    »Mir war plötzlich so schlecht, dass ich
kotzen musste. Direkt neben dem Zichtenautomat. Danach wollte ich nur noch ins
Bett. Und bin direkt zu mir nach Hause.«
    »Und ich?«
    »Keine Ahnung. – Halt, stopp.« Piet
Zimmermann tippte sich an die Stirn. »Jetzt fällt’s mir wieder ein. Du wolltest
zurück zu Doris. Natürlich. Noch einen wegstecken.«
    »Einen wegstecken, so stramm?«
    »Du hast jedenfalls getönt, du würdest sie
flachlegen.«
    »Mehr weißt du nicht?«
    »Nö. Aber sag doch endlich mal, was machst
du eigentlich für ‘nen Zirkus wegen der drei Kratzer da?«
    Jagau starrte geistesabwesend aus dem
Küchenfenster, bevor er abrupt aufstand. »Muss los. Mein Chef kann jeden
Augenblick im Wald auftauchen.«
    »Was war denn da gestern bei euch im Forst
los?«, wollte Zimmermann wissen, während er seinem Besucher in den Flur folgte.
»Hab von ‘nem toten Mädchen gehört, das sie bei euch gefunden haben, ‘ne
Ausländerin.«
    »Erzähl ich dir ein andermal.« Jagau hatte
die Haustür bereits geöffnet und trat hinaus. Auf dem Abtreter drehte er sich
noch einmal um. »Kein Wort zu niemandem über vorgestern Nacht«, raunte er
seinem Kumpel zu. »Kein einziges Wort, hast du mich verstanden?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, ging er zu
seinem Pick-up und fuhr davon.
    * * *
    »Was für ein Fall!« Steigenberger
atmete einmal tief durch, nachdem Mendelski, Strunz und Co. mit ihrem Bericht
und der Präsentation etlicher Fotos fertig waren. »Da haben wir – keine
zwanzig Stunden nach dem Leichenfund – schon jede Menge Fakten, mysteriöse
Spuren und sogar einen ersten möglichen Verdächtigen. Selbst ein Unfall ist
nicht auszuschließen. Positiv ist zu bewerten, dass nicht schon wieder ein
Sexualdelikt vorliegt.« Steigenberger räusperte sich. »Ach ja:

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