Wolfsfeuer (German Edition)
Werwolf verwandelt hat, und der Besitzer der Schlüssel … « Sie brach ab. »Wie wollen sie herausfinden, wem die Schlüssel gehören?«
»Anhand deines Führerscheins?«
»Ich war früher ein Jägersucher . Das bedeutet ›Verfolger‹, nicht Schwachkopf. Kein Führerschein.«
Er legte die Hände um das Lenkrad, schloss die Augen und … war das etwa ein Knurren? Alex konnte es nicht sagen, da einen Sekundenbruchteil darauf wie von Zauberhand der Motor ansprang.
»Du bist ein komischer Werwolf«, stellte sie fest.
Er ignorierte die Bemerkung. »Du besitzt keinen Führerschein?«
»Ich sagte nicht, dass ich keinen Führerschein besitze, sondern nur, dass ich keinen dabeihatte.«
Sie streckte den Arm aus und schlug mit der Handkante auf ein Kunststoffrechteck oberhalb des Radios. Doch anstatt aufzuspringen und das Geheimfach zugänglich zu machen, zersplitterte das Plastik in hundert dunkelgraue Einzelteile.
»Upps«, murmelte sie.
»Was habe ich dir darüber gesagt, dass du deine Schläge kontrollieren musst?«
»Dass ich es nur tun soll, wenn sie nicht gegen dich gerichtet sind?«
Er quittierte das mit einem kurzen Lachen, in das Alex beinahe eingestimmt hätte, wäre ihre Hand nicht bereits in dem Geheimfach verschwunden, um ihren gefälschten Führerschein und das einzige Foto, das sie von ihrem Vater Charlie besaß, herauszuholen.
Der Anblick seines Gesichts brachte alles zurück: die Jahre, die sie quer durchs Land gezogen waren, die Nähe, die sie verbunden hatte, nachdem ihre Mutter … gestorben war.
Sie waren eine Familie wie aus dem Bilderbuch gewesen. Der Vater mit seinem guten Job. Die Mutter, die zu Hause blieb. Das niedliche kleine Mädchen, das beide anbetete.
Jeden Abend nach der Arbeit war Charlie mit Alex in den Park gegangen, während seine Frau Janet das Essen zubereitete. Er hatte Softball geliebt – als Spieler wie als Zuschauer – und diese Liebe an Alex weitergegeben. Schon mit fünf hatte sie ihren eigenen Handschuh besessen und war eine verteufelt gute Fängerin gewesen. Doch was sie noch mehr genossen hatte als das Spiel an sich, war die Zeit mit ihrem Vater.
Bis zu jenem Abend, als sie nicht lange nach Einbruch der Dunkelheit heimgekommen waren und sie anstelle eines Abendessens einen Albtraum vorgefunden hatten.
Charlie hatte eine geheime Vergangenheit gehabt, eine, von der Janet nichts wusste. Er hatte geglaubt, seine Zeit bei den Jägersuchern abgehakt zu haben. Er hatte sich einen neuen Namen, sogar ein neues Gesicht zugelegt. Nur seinen Geruch hatte er nicht verändert. Er konnte es nicht, und so hatte ihn seine Vergangenheit eingeholt.
Einer der Werwölfe, die ihm entkommen waren, hatte ihn gefunden. Genauer gesagt, er hatte Janet gefunden. Dann hatte er sie getötet.
Sein Fehler war gewesen, auf Charlie zu warten. Denn obwohl Charlie inzwischen in einem Baumarkt arbeitete, obwohl er vorgab, ein ganz normaler Durchschnittskerl zu sein, steckten in der Pistole, die er in seinem Kofferraum aufbewahrte, noch immer Silberkugeln, und seine Treffsicherheit konnte es noch immer mit der des Armee-Scharfschützen aufnehmen, der ihn ausgebildet hatte.
Zum Glück verfügte ihr Vater über einen sechsten Sinn, der ihn vor Gefahr warnte; womöglich hatte er einfach nur das Blut gerochen. Er hatte Alex angewiesen, zu den Nachbarn zu laufen und mit deren neuem Kätzchen zu spielen. Als er sie schließlich dort abholte, hatte er bereits das Notwendigste ins Auto gepackt und Edward kontaktiert, damit der die Schweinerei beseitigte.
Charlie war zu den Jägersuchern zurückgekehrt. Er hatte geglaubt, keine andere Wahl zu haben. Er würde die Geister der Vergangenheit nie loswerden, seine Tochter würde niemals sicher sein, solange er nicht jedes einzelne Monster auf der Erde vernichtet hätte.
Es war ein fataler Fehler gewesen, sein Geheimnis zu wahren. Aber er würde ihn wiedergutmachen, indem er seiner Tochter alles beibrachte, was er wusste, damit sie niemals in einen Hinterhalt geraten konnte, so wie ihre Mutter.
Es war nicht leicht gewesen, aber sie waren zurechtgekommen. Werwölfe jagten in der Nacht, und das tat auch Charlie, sobald Alex eingeschlafen war. Sie war alt genug, um zu begreifen, dass ihrer Mutter in der Dunkelheit etwas Schreckliches widerfahren war, und sie war klug genug, sich dieser Dunkelheit nicht allein zu stellen.
Als sie älter wurde, sah sie Dinge – Dinge, die in ihr das dringende Bedürfnis weckten, alles zu erlernen, was ihr Vater ihr
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