Wolfsfeuer (German Edition)
gefunden hatte, dann kehrte er in das Motelzimmer zurück. Er rief am Flughafen an und informierte seinen Piloten, wann er abzureisen gedachte. Als er auflegte, standen ihm Schweißperlen auf der Stirn; Schweiß durchfeuchtete seinen Hemdrücken und lief ihm den Hals hinunter. Oft waren die Sinneswahrnehmungen eines Werwolfs ein Segen, aber manchmal, so wie jetzt, konnten sie ein Fluch sein.
Er hörte die Tropfen auf ihren Körper prasseln, hörte, wie sie nach unten strömten, über ihre Schultern kullerten, ihre Brüste, ihren Bauch, ihre Schenkel. Er konnte die Seife, das Shampoo riechen, hörte das Reiben ihrer Hände, als sie sich wusch.
Wenn er die Augen schloss, konnte er das Wasser sehen, die Schaumbläschen, das Gleiten von Fingern über Haut. Er befeuchtete sich mit der Zunge die Lippen, und da schmeckte er sie – ihren Mund, ihren Hals, das Blut.
»Scheißdreck. Verdammt. Zur Hölle.« Gelegentlich half es ihm, auf Englisch zu fluchen, um seine Gedanken von dem abzulenken, worüber er fluchte. Dieses Mal nicht. Er sah noch immer ihren nackten Körper vor sich, hörte ihre schnelle Atmung, roch den Duft der Seife, die sich mit dem ihrer feuchten Haut mischte.
Er öffnete die Augen. Dampfschwaden quollen unter der Tür hervor und schlängelten sich wie ein magischer Nebel zu ihm, um ihn zu verlocken, Dinge zu tun, die er nicht tun sollte. Er hatte sich schon mehrere Schritte Richtung Bad bewegt, bevor er stehen blieb, sich umdrehte, notgedrungen den Rückzug antrat und stattdessen durch das Fenster in die anbrechende Morgendämmerung starrte; dabei zählte er auf Norwegisch erst bis zehn, dann bis fünfzig und schließlich bis hundert, während er versuchte, das bizarre Gefühl einer Schicksalsfügung aus seinem Kopf zu verscheuchen.
Alex hatte die Tür hinter sich geschlossen und zugesperrt, ehe sie in die Dusche trat. Als sie unter dem Wasserstrahl stand, musste sie feststellen, dass sie ihre bislang bevorzugte Kurz-vor-dem-Siedepunkt-Temperatur inzwischen nicht mehr mochte. Lauwarm konnte sie gerade noch ertragen, nachdem ihre Haut sich anfühlte, als sei sie stundenlang ohne Schutz tropischer Sonne ausgesetzt gewesen.
Das Blut und den Schmutz konnte sie mühelos abwaschen, aber ganz gleich, wie sehr sie sich abmühte, wie hartnäckig sie rubbelte, wurde sie den Geruch von Werwolf einfach nicht los. Dieser Geruch war nun ein Teil von ihr.
Plötzlich überfiel sie die Erinnerung an Barlows Hände auf ihren Brüsten, seiner Zunge in ihrem Mund, und alles, was sie in diesen wenigen Sekunden in seinen Armen empfunden hatte, stürmte von Neuem auf sie ein. Ungeachtet ihres Hasses auf Werwölfe, und auf Barlow im Besonderen, begehrte sie den Mann mehr, als sie je einen anderen begehrt hatte.
Irgendetwas war definitiv faul an Julian Barlow.
Benutzte er Gedankenkontrolle? Hexerei? Einen magischen Bann? Alles zusammen? Sie würde es selbstverständlich herausfinden. Dinge herauszufinden war das, worin sie am besten war – neben dem Töten.
Seine Bürste lag auf dem Waschtisch; Alex benutzte sie, obwohl der Kontakt seiner goldblonden Strähnen mit ihren hellbraunen sie nervös machte. Nachdem sie sich in ein kratziges Hotelhandtuch gewickelt hatte, öffnete sie die Tür. Ein frischer Satz Kleidung wartete davor.
Sie sammelte sie auf, ohne auch nur den Blick zu heben. Die Klamotten, die offensichtlich von Barlow stammten, passten ihr nicht. Die Jeans waren, genau wie das T-Shirt, so riesig, dass sie ein Stück von etwas, das wie ein Telefonkabel aussah, durch die Gürtelschlaufen fädelte, um sie zu fixieren. Es behagte ihr gar nicht, seine Boxershorts zu tragen, aber welche Alternative gab es? Auch das langärmlige Hemd, die groben Socken und klobigen Ökosandalen waren zu groß. Sie behalf sich damit, dass sie die Riemen so fest wie möglich um ihre Füße zurrte.
Das Erste, was Alex sah, als sie wieder ins Zimmer trat, war Barlow, der aus dem Fenster starrte. Die Nacht hatte sich mit der nahenden Dämmerung grau gefärbt. In der Ferne sah sie die blinkenden Lichter des LAX , die so hell und vielzählig waren, dass sie wie Sterne wirkten, die auf die Erde gefallen waren.
Im Zimmer roch es nach Rauch – nicht der von Zigaretten – , was sie an die Kleinstädte erinnerte, durch die sie und ihr Vater gekommen waren und in denen die Bewohner ihren Müll in den Hintergärten verbrannten. Der Geruch zerriss ihr das Herz, denn er gemahnte sie an ihre Einsamkeit.
Jede Abenddämmerung hatte ein anderes
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