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Wolfsfeuer (German Edition)

Wolfsfeuer (German Edition)

Titel: Wolfsfeuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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sie nicht sterben konnte. Es sei denn, das Flugzeug bestünde aus purem Silber, nur dass in dem Fall weder Barlow noch sie darin sitzen würden. Dieser Verdammt-hart-umzubringen-Aspekt war irgendwie befreiend.
    Der Pilot landete das Flugzeug auf einer Schotterpiste, die sich durch hoch aufragende Kiefern schlängelte. Alex und Julian kletterten heraus; der Mann winkte zum Abschied und hob wieder ab.
    »Und jetzt?«, wollte Alex wissen.
    »Jetzt laufen wir.«
    »Laufen?« Sie drehte sich um die eigene Achse. Das Einzige, was sie sah, waren Bäume.
    »Dreihundertzwanzig Kilometer.« Er deutete in eine Richtung. »Hier entlang.«
    Alex’ Blick folgte seinem ausgestreckten Finger, der nach Norden mit leicht westlicher Tendenz zeigte.
    Was war es bloß, das ihr an diesem Ort so vertraut vorkam? Sie schloss eine Minute die Augen. Bäume. Erde. Sonne und Schatten. Eis auf fernen Berggipfeln. Sogar die Luft roch nach ihm.
    »Heimat«, flüsterte sie.
    Als sie die Augen wieder öffnete, starrte Barlow sie an, als wäre ihr gerade ein zweiter Kopf gewachsen.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Er nahm den Blick von ihr. »Die Sonne ist schon fast untergegangen.«
    »Gut kombiniert, Sherlock«, frotzelte sie.
    Die Art, wie er sie ansah, eindringlich im einen Moment, abschätzig im nächsten, zerrte an ihren überreizten Nerven.
    »Ich kann unmöglich dreihundertzwanzig Kilometer weit laufen.«
    »Doch.« Er fing an, sein Hemd aufzuknöpfen. »Das kannst du.«
    »Du meinst … «
    »Wölfe können fünfundsechzig Kilometer pro Stunde zurücklegen und zweihundert an einem Tag.« Er warf das Hemd zwischen die Bäume. »Werwölfe sind Wölfe, nur besser.«
    Oder schlechter, das hing ganz von der Perspektive ab.
    Die Sonne war hinter den Horizont gesunken, und bald würde schon der Mond aufgehen. Rund und für das menschliche Auge dem Anschein nach voll, trotzdem spürte Alex den leisen Unterschied. Sie musste sich nicht verwandeln, aber, ach, wie sehr sie sich danach verzehrte.
    Das Heulen erschreckte sie derart, dass sie zusammenzuckte. Barlow hatte sich bereits verwandelt und trottete nun ungeduldig am Waldrand auf und ab. Das Verlangen, es ihm gleichzutun, war unbezähmbar.
    Getaucht in das kühle, silbrige Summen des Mondes schlüpfte Alex hastig aus ihrer Oberbekleidung, den Schuhen und den Jeans. Seine Kraft strömte in sie, und sie hieß den Wolf in sich willkommen. Ihr Körper begann, sich zu verformen. Er krümmte und beugte sich, dehnte und streckte sich. Alex brauchte länger als Barlow, aber schließlich war es vollbracht.
    Seite an Seite liefen sie der Nacht entgegen.

5
    Julian rannte, bis der Gestank der Stadt nicht länger seinen Geruchssinn malträtierte. Dann legte er sich auf die mit Kiefernnadeln bedeckte Erde und wälzte sich hin und her, bis sein Fell wieder nach Alaska roch.
    Gott, wie er es hasste, von zu Hause weg zu sein. Was ziemlich absurd war, nachdem er früher ständig unterwegs gewesen war.
    Julian war vor so langer Zeit in Norwegen geboren worden, dass seine Erinnerungen eigentlich nebulös hätten sein müssen. Trotzdem waren manche derart klar, als wäre es gestern geschehen. Brandschatzung und Plünderung schienen sich jahrhundertelang im Gedächtnis festzusetzen.
    Einst hatte man ihn Jorund der Blonde genannt. Julian schüttelte sein goldenes Fell. Kiefernnadeln stoben in alle Richtungen davon. Sein während seiner Jugend fast weißblondes Haar und seine selbst für einen Wikinger beachtliche Größe hatten ihn zu etwas Besonderem gemacht.
    In der Schlacht konnten die Männer seinen hellen Kopf weit über denen ihrer Feinde aufragen sehen. Sie hatten Teile Schottlands, Englands und Islands erobert. Sie hatten sich mehrere Küsten hinauf- und hinabgeplündert. Sie hatten Dinge getan, an die Julian sich lieber nicht erinnert hätte.
    Aber er hatte eine Entschuldigung. Er war ein Wikinger gewesen. Was hätte er denn tun sollen? Sich weigern, zu plündern und zu brandschatzen? Das war eine gute Methode, um mit dem spitzen Ende eines Schwerts Bekanntschaft zu machen. Abgesehen davon war ihm niemals in den Sinn gekommen, dass es falsch sein könnte, sich zu nehmen, was er wollte und wann er es wollte.
    Damals nicht.
    Das Geräusch sich nähernder Pfoten, ein Körper, der durch die Bäume jagte. Alex war ihm dicht auf den Fersen. Begierig darauf, mit seiner Heimat eins zu werden, war er vorausgelaufen. Er fürchtete nicht, sie zu verlieren. So viel Glück würde ihm nicht vergönnt sein.
    Als sie durch das

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