Wolfsfeuer (German Edition)
sagte, dass sie dir das Ganze erklärt habe.«
»Das hat sie auch. Sie versprach mir, dass ich eine zweite Chance bekommen würde, das Leben zu leben, das ich wollte.«
»Was für ein Leben wolltest du denn?«
»Eines mit einem Dutzend Kindern.« Alana lachte, doch dieses Mal krampfte sich Julians Herz bei dem Geräusch schmerzhaft zusammen, anstatt wie sonst vor Freude zu hüpfen. »Na ja, vielleicht nicht ganz so viele. Aber ich liebe sie einfach so sehr. Darum habe ich weiter in der Vorschule gearbeitet, obwohl die Bezahlung miserabel war. Kinder machen das Leben erst lebenswert.«
»Alana«, begann er, und ihr Lächeln wurde unsicher. »Es wird keine Kinder geben. Werwölfe können keine haben. Es ist ausgeschlossen.«
»Das ist … absurd«, stammelte sie.
»Ist es das?« Julian kam auf ihre Bettseite und versuchte, nicht verletzt zu reagieren, als sie von ihm wegrutschte, als hätte sie in ihm gerade das Monster erkannt, das er war. »Wie kommst du bloß darauf, dass ein Werwolf sich fortpflanzen kann?«
»Weil … weil Großmutter es gesagt hat!« Ihre Augen verdunkelten sich vor Schock. »Sie hat es mir versprochen! Glaubst du wirklich, ich hätte andernfalls zugestimmt, so zu werden?«
»Dann wärst du gestorben.«
»Lieber tot sein, als nach Blut zu dürsten, vom Mond beherrscht zu werden, mitten im Nichts zu leben, in einem Dorf voller Freaks.«
Julian zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Er wusste, dass sie sich nichts aus Blut machte; sie streifte kaum je im Mondschein umher, es sei denn, sie musste. Und sie hatte abgesehen von Cade und ihrer Großmutter kaum Kontakte. Trotzdem war ihm nicht bewusst gewesen, dass sie so empfand.
»Lieber tot sein«, wiederholte sie sanft, »als Unsterblichkeit ohne eine Familie.«
»Aber du hast eine Familie!«, rief Julian, erschrocken über ihr leeres, bleiches Gesicht. »Du hast mich. Du hast Cade. Du hast Margaret.« Obwohl sie die alte Frau, nach der Lüge, die diese erzählt hatte, wahrscheinlich nicht mehr lange haben würde. »Du hast das ganze verdammte Dorf, Alana.«
Anstatt zu argumentieren – was sie im Übrigen niemals tat; es war fraglich, ob sie überhaupt wusste, wie das ging – , war Alana aufgestanden, hatte sich angezogen und das Haus verlassen.
Julian hatte sie gehen lassen, in der Annahme, dass sie bei ihrer Großmutter unterschlüpfen würde. Sie würde zurückkehren; sie würden reden, und alles würde wieder in Ordnung kommen.
Aber nichts war je wieder in Ordnung gekommen.
Alex betrachtete Barlows Haus, das still und stockfinster blieb, dann marschierte sie die kurze Distanz bis zu dem mysteriösen weißen Gebäude dahinter.
Die Tür war zu, aber sie nahm an, dass sie jedes Schloss der Welt würde knacken können. Ihre menschliche Körperkraft nahm von Tag zu Tag zu, zusammen mit ihren sensorischen Fähigkeiten.
Aber wie es in diesem Dorf Usus zu sein schien, war die Tür nicht verschlossen. Als Alex sie aufzog, leuchtete ihr diese Nachlässigkeit mit einem Mal ein. Was nutzte einem ein Bolzenschloss, wenn jeder einzelne Dorfbewohner stark genug war, um die Tür einfach aus den Angeln zu reißen? Sollte sich jemand Zutritt verschaffen, der kein Werwolf war – was in dieser Gegend eher unwahrscheinlich schien – , würde ihn eine bittere Überraschung erwarten, sollte er versuchen, irgendetwas zu stehlen.
Von innen glich das Gebäude einer Festung: Ziegelwände, Betonböden, alles war grau und weiß. Vielleicht war sie in ein Gefängnis gestolpert, bezweifelte allerdings, dass auch dort die Tür offen gewesen wäre.
Und sie bezweifelte, dass es hier überhaupt eines gab. Wie sie Barlow einschätzte, ging er mit Fehlverhalten genauso um wie Edward: Befolge die Regeln oder stirb.
Es schien niemand anwesend zu sein, trotzdem hatte sie den Mann in das Gebäude gehen sehen. Wer war er? Warum sah er Barlow ähnlich und gleichzeitig auch wieder nicht? Warum trieb er sich allein in der Dunkelheit herum? Wollte er, dass man ihn für den Killerwolf hielt?
Sie öffnete den Mund, um sich bemerkbar zu machen, dann roch sie das Blut und besann sich eines Besseren.
Völlig auf ihre Nase konzentriert, lief Alex den Korridor entlang. Darum sah sie den Mann erst, als der mit einem riesigen Schwert ausholte.
Zum Glück hörte sie es rechtzeitig. Ein schwaches pfeifendes Sirren, das viel zu schnell auf sie zukam. Ihre Instinkte übernahmen das Kommando. Sie konnte nicht unterscheiden, ob es die eines Jägers oder eines Werwolfs
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