Wolfsfeuer (German Edition)
stellte Alex fest. »Da ist jemand hungrig.«
Julian ignorierte sie. »Wer ist es diesmal?«
»Dr. Cosgrove.«
»Ein Doktor?«, staunte Alex.
»Der Tierarzt.«
»Vielleicht gefiel es jemandem nicht, von ihm mit Spritzen gepiesackt zu werden.«
»Wir brauchen keinen Tierarzt«, knurrte er sie an. »Wir brauchen überhaupt keinen Arzt. Weil wir nicht krank werden.«
»Außer im Kopf.«
Er quittierte das mit einem missmutigen Blick.
»Was denn?« Sie riss in gespielter Unschuld die Augen auf. »Du glaubst nicht, dass jemandem im Dorf die Sicherung durchgebrannt ist?«
George lauschte dem Disput mit offenem Mund. Zweifellos würde er Jorund nach seiner Rückkehr jedes Wort berichten.
»Ich bin spätestens in einer Stunde bei euch«, versprach Julian.
Der Junge nickte und verschwand wieder. Schweigen senkte sich über den Raum. Es hielt nicht lange an.
»Willst du deinen Bruder nicht fragen, was er ganz allein dort draußen in der Nacht zu suchen hatte?«, fragte Alex.
»Warum?«
Sie massierte sich die Schläfen, als hätte sie plötzlich Migräne. »Ein wildernder Wolf tötet Nacht für Nacht einen Inuit«, half sie ihm auf die Sprünge.
»Du hältst Cade für einen blutrünstigen, wildernden Werwolf?«, fragte Julian. »Sieh ihn dir doch nur an.«
»He!«, moserte Cade. »Ich stehe übrigens direkt vor dir.«
»Und dein Schwert liegt dort drüben.« Julian zeigte zu dem Tisch. »Du hast es dir von einem Mädchen abnehmen lassen.«
»Ich stehe übrigens auch direkt vor dir«, machte Alex ihn aufmerksam. »Außerdem bin ich nicht einfach irgendein Mädchen.«
Julian sprach rasch weiter, bevor sein Bruder diesem Einwurf auf den Grund gehen konnte. »Cade ist ein Einzelgänger. Das war er immer.«
»Ein Einzelgänger«, wiederholte Alex nachdenklich. »Ist das nicht ein anderer Ausdruck für ›wildernder Wolf‹?«
»Was bist du?«, fragte Cade. »Ein Bulle?«
»Ja«, bestätigte Julian im selben Moment, als Alex verneinte.
»Sie war einer. Natürlich ist sie inzwischen keiner mehr.«
»Ich könnte aber wieder einer sein.«
»Ich bin die einzige Polizei, die wir hier brauchen.«
»Ja, und du leistest wirklich ganze Arbeit. Wie viele Tote sind es mittlerweile?«
»Ich werde mich darum kümmern.«
»Dann fang mit ihm an. Kannst du ihn nicht einfach berühren und … «, sie wackelte mit den Fingern wie eine Seifenopern-Hexe, die einen Zauber wirkt, »… mittels Voodoo die Wahrheit herausfinden?«
»Er war es nicht«, insistierte Julian.
»Nur weil er dein Bruder ist, bedeutet das nicht, dass er nicht jemanden umgebracht haben könnte.«
»Doch. Genau das bedeutet es.«
Alex rang die Hände. »Er ist ein Werwolf.«
»Was genau verstehst du nicht an unserer Gemeinschaft?«, fauchte Julian sie an. »Wir töten keine Menschen.«
Sie sah ihm unverwandt in die Augen, bevor sie im Brustton der Überzeugung sagte: »Einer von euch tut das.«
Barlow hätte ihr am liebsten eine geklebt. Alex sah es ihm an der Nasenspitze an. Aber er wollte es nicht im Beisein seines Bruders tun. Was bedeutete, dass er Cade nicht anvertraut hatte, wer sie war.
Interessant .
Die beiden waren schon seit Jahrhunderten zusammen. Offenbar standen sie sich sehr nahe. Trotzdem hatte Barlow Geheimnisse vor ihm. War es umgekehrt genauso?
»Niemand aus meinem Rudel würde es wagen, den Inuit etwas anzutun«, beharrte Julian.
»Ich denke, du irrst dich.«
»Es ist mir egal, was du denkst. Ich weiß es besser. Wer auch immer die Morde begangen hat, ist nicht von hier.«
»Lieber glaubst du, dass ein einzelgängerischer Werwolf mitten im Niemandsland aufgetaucht ist, um eure Schoßhündchen zu fressen?«, argumentierte Alex. »Anstatt der Logik zu folgen und einzusehen, dass jemand in einem Dorf voller Werwölfe beschlossen hat, dass du nicht sein Boss bist?«
Ein Anflug von Zweifel flackerte über Julians Gesicht, dann war der Ausdruck verschwunden. »Ja«, bestätigte er. »Genau das tue ich.«
Aber sie hatte ihn ins Grübeln gebracht, und das war zumindest ein Anfang.
Auch sie hatte begonnen nachzudenken. Sie war hergekommen, um den Werwolf zu finden, der ihren Vater umgebracht hatte, nur um jetzt festzustellen, dass ein Werwolf Jagd auf die Inuit machte. Wie standen die Chancen, dass es ein und derselbe Täter war?
Verdammt hoch.
Besonders, wenn sie der Theorie folgte, dass Barlows Wölfe anders waren – was sie in Anbetracht ihres anscheinend nicht vorhandenen Verlangens, jeden abzuschlachten, dem sie
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